Zündeln an den Strukturen eine Rezension

2023 ist der Reportage Roman “Zündeln an den Strukturen” von Ottmar Miles-Paul im Selbstverlag erschienen. In diesem Buch geht es um einen militanten Akt des Widerstandes gegen die Unterdrückung, Ausgrenzung und Ausbeutung behinderter Menschen in Werkstätten für behinderte Menschen.

„Sie haben es tatsächlich getan und sind selbst überrascht, dass sie zu einer solchen Tat fähig waren. Bestimmt hunderte Male hatten sie mit wachsender Frustration durchgespielt, wie sie sich gegen die Ungerechtigkeiten in der Werkstatt für behinderte Menschen wehren können. Nun haben Helen Weber und ihre beiden Freunde das Werkstattgebäude in Brand gesetzt. “ So der Klappentext des Buches. Zündeln an den Strukturen 

Die Frage, die hinter dem Akt an sich steht, der das Leitmotiv des Buches Zündeln an den Strukturen steht, ist, was wäre möglich, wenn es keine Werkstätten für behinderte Menschen gäbe? 

Die drei Hauptprotagonist*innen also diejenigen, die die Werkstatt in Brand gesetzt haben, sind Helen Weber, Klaus Kriske und Bernd Friedrich, alle drei arbeiteten in der Werkstatt für behinderte Menschen. 

Als erstes lernen die Leser*innen die drei Hauptprotagonist*innen Helen Weber, Bernd Friedrich, Klaus Kriske  und ihr Leben vor der Brandstiftung etwa näher kennen, die Leser*innen erfahren, wie sie politisiert wurden und welche Rolle die Enthinterungsgruppe dabei spielt. Die Enthinderungsgruppe ist eine Gruppe behinderter Menschen die sich politisch für die Teilhabe behinderte Menschen einsetzt. Als Leser*innen erfahren wir auch gleich einiges über die Zustände in Werkstätten für behinderte Menschen und wie behinderte Menschen in ihnen ausgebeutet werden. Im weiteren Verlauf des Buches wird der Brandmeister der Feuerwehr Heinrich Stindel in den Roman eingeführt, der sich fragt, wer wohl die Werkstatt für behinderte Menschen angezündet hat, wer wohl ein Motiv gehabt haben könnte  die Werkstatt für behinderte Menschen anzuzünden obwohl  die Werkstatt für behinderte Menschen doch eine so  wichtige Arbeit leistet…… Als Leser*innen lernen wir auch Florian Kerner kennen, er ist der ermittelnde Polizeikommissar.  Als letztes lernen die Leser*innen im ersten Kapitel Katrin Grund, eine junge Volontärin der Lokalzeitung kennen, sie wird eine große Rolle im weiteren Verlauf des Buches Zündeln an den Strukturen spielen. Im zweiten Kapitel lernen die Leser*innen Christa Ehmke die Geschäftsführerin und Clemens Zeil den Vorsitzenden des Werkstatt Vereins kennen, die Tochter von Clemens Zeil arbeitet auch in der Werkstatt für behinderte Menschen.

Die Leser*innen begleiten die Protagonist*innen durch die kommende Zeit und die kommenden Entwicklungen, die sich durch das Zündeln an den Strukturen ergeben. Die Leser*innen begleiten Helen Weber,Bernd Friedrich,Klaus Kriske und die weiteren Aktivist*innen der Enthinderungsgruppe dabei wie sie aus dem Brand Hoffnung schöpfen und auf ein Leben außerhalb der Werkstatt für behinderte Menschen hoffen und alles dafür tun. Die Leser*innen begleiten aber auch die Geschäftsführerin und den Werkstatt Vereinsvorsitzenden bei dem Versuch, den alten Zustand wieder herzustellen und wenn möglich, eine noch größere Werkstatt für behinderte Menschen an selber Stelle wieder aufzubauen.

Weitere Protagonist*innen im Buch sind Claudia Liese, Katja Franke und weiter Mitglieder  aus der  Enthinderungsgruppe aber  auch weitere behinderte Mitarbeiter*innen der Werkstatt und die Eltern für Inklusion. 

Die Leser*innen erfahren im Zündeln an den Strukturen viel über das System der Werkstätten für behinderte Menschen und dessen ausgrenzende Wirkung aber auch viel über alternative Förderinstrumente für behinderte Menschen die auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten wollen, ein ganzes Panorama an Möglichkeiten für eine Welt ohne Werkstätten  für behinderte Menschen und für ein selbstbestimmtes Leben tut sich auf.

 Leider erweist sich das Werkstatt-System als sehr robust und im Buch wird klar, dass ein einmaliges Abfackeln einer Werkstatt nicht das Ende der Werkstätten bedeutet, leider nicht einmal dieser konkreten Werkstatt an diesem Standort. 

Nicht zuletzt die Überlegungen des Polizisten Florian Kerner  das die Enthinderungsgruppe nicht die Täter*innen sein könnten, da der Protest behinderter Menschen in der Regel zu harmlos ist, um wirklich was zu ändern, sondern immer nur in kleinsten Schritten sollte Ansporn sein, in der Behindertenbewegung eine Diskussion über etwas mehr Militanz bei unseren Aktionen zu führen. 

Die Ende drittes Anfang viertes Kapitel aufkommende Idee im Buch das Katrin Grund ja einen Roman über das System der Werkstätten schreiben könnte und ab da klar werden soll dass sie das Buch geschrieben hat und deshalb auch neben Ottmar Miles-Paul als Autorin genannt wird  finde ich etwas albern die Passagen über das Roman schreiben wo Katrin Grund über das schreiben philosophiert nehmen im vierten Kapitel sehr viel Platz ein  und langweilten mich beim lesen diese Passagen hätten gern durch z.B  Schilderungen über Treffen der Enthinderungsgruppe oder eine  intensivere Auseinandersetzung mit dem Werkstattrat ersetzt werden können. Die oft zögerliche Haltung von Werkstatträten gegenüber Geschäftsführungen der Werkstätten und die Kritik daran kommt zwar vor im Buch, aber leider nur sehr kurz.

Die Leser*innen erfahren von den weiteren Entwicklungen also von kleineren und größeren Erfolgen der verschiedenen Protagonist*innen. Der rote Faden der Brand der Werkstatt bildet einen stabilen Rahmen für die Handlung. Als Nebenstrang erfahren die Leser*innen noch so einiges über die Verwobenheit von Lokalpresse Lokalpolitik und der lokalen Wirtschaft in dem Fall also auch mit der Werkstatt für behinderte Menschen der daraus entstehende Filz kommt ausgiebig wenn auch subtil  im Buch zur Sprache.Ob am Ende rauskommt wer hinter dem Brandanschlag als Widerstand Akt steckt wird hier nicht verraten. Das Buch wird durch ein sehr lesenswertes Nachwort von Ottmar Miles-Paul ergänzt und abgerundet.

Ein paar Anmerkungen zum Schluss.

Schade fand ich, dass die Gewerkschaft nicht ihr Fett weg bekommt, was sie verdient hätte.

Ob die Leser*innen unbedingt erfahren müssen, dass der ermittelnde Polizist eine Ehekrise hat, naja.

Wirklich geärgert hat mich wo es doch im Buch um Selbstbestimmung geht und auch um Selbstbezeichnungen die behinderte Menschen zu recht einfordern, dass dann Sprichwörter verwendet werden in denen rassistische Fremdbezeichnungen für Nativ Americans gebraucht werden es geht um das Sprichwort I…. Ehrenwort. 

Auch die Metapher 0815, die militärischen Ursprungs ist, hat mich an einer Stelle irritiert. 

Dass sich Katrin Grund an einer Stelle selbst als Sozialt… bezeichnet und somit ihr vom realen Autor (einem Mann) ein sexistischer Begriff in den Mund gelegt wurde, hat mich geärgert. Diese sprachlichen Patzer sollten schnellstmöglich überarbeitet werden.

Das Buch Zündeln an den Strukturen ist ein Manifest für die Selbstbestimmung behinderter Menschen und darf in keinem linken Haushalt und keinem linken Buchladen fehlen.

 

http://www.kobinet-nachrichten.org

https://inklusion-statt-integration.de/heimgesperrt-von-sylvia-wagner-aus-dem-correctiv-verlag-eine-rezension/

 

 

 

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