Pflegeprotokolle von Frédéric Valin eine Rezension

Das 2021 im Verbrecher Verlag erschienenen Buch „Pflegeprotokolle“ von Frédéric Valin beschreibt die Situation in der Pflege und anderen Care-Berufen.

F. Valin tut das mit 21 Beiträgen, in denen er verschiedene Personen anhand ihrer unterschiedlichen Lebensläufe, Motive und Erfahrungen vorstellt. Diese Menschen arbeiten unter anderem als Altenpfleger*innen, Erzieher*innen, Sozialarbeiter*innen, Hospizmitarbeiter*innen oder Geflüchtetenhelfer*innen. Frédéric Valin stellt eingebettet in diese Lebensläufe folgende Themenbereiche vor:

Wie geht es der Pflege?

Wie den Care-Berufen?

Wie ging es den Menschen vor der Pandemie?

Wie währenddessen?

Wie kamen die einzelnen Menschen in ihren Beruf?

Und was haben sie dort erlebt?

Die „Pflegeprotokolle“ sind ein aufschlussreiches, sehr persönliches und berührendes Buch. Es stellt die Aufgaben, Herausforderungen und Belastungen dieser Arbeitsbereiche dar. Das Buch hat den Anspruch dazu beizutragen, dass die Gesellschaft nicht länger die Augen vor den teils katastrophalen Arbeitsbedingungen in diesen Berufen verschließen kann. Schreibt der Verlag im Klappentext

Frédéric Valin beschreibt wie er der selbst in einer Einrichtung für „geistig“ behinderte Menschen arbeitet und im ersten Logdown das Bedürfnis hatte, systematisch mit Kolleg*innen aus dem Care Bereich, Gespräche über ihren Arbeitsalltag zu führen. Von ihm erfährt die Leser*in, wie diese Menschen ahnten, dass sich die Krise der Arbeit in diesem Bereich in der Pandemie noch verstärken wird. Er sagt aber auch deutlich, dass die Krise bereits vor der Pandemie vorhanden war.

Was mich etwas verärgert und irritiert zurückgelassen hat ist, wie F. Valin über behinderte Menschen spricht. Zum Beispiel als er beschreibt wo er selbst arbeitet und von einer „Einrichtung für Menschen mit sogenannter Geistiger Behinderung“ spricht. Was mich daran stört ist, dass er nicht erklärt warum er von sogenannter geistiger Behinderung spricht.

Wenn er den Begriff geistige Behinderung oder geistige Beeinträchtigung was hier korrekter wäre ablehnt, wofür es gute Gründe gibt, warum nutzt er nicht die Selbstbezeichnung Lernbeeinträchtigung / Lernbehinderung? An anderer Stelle schreibt er von „sogenannten Behinderten“. Valin ignoriert damit nicht nur den Konsens, dass von Menschen mit Behinderungen oder von behinderten Menschen gesprochen wird und nicht mehr von „Behinderten“. Seine Bezeichnung „sogenannte Behinderte“ setzt darüber hinaus wieder Behinderung und Beeinträchtigung gleich. Damit negiert er durch das Wort „sogenannte“ indirekt das es eine gesellschaftliche Ebene, zum Beispiel durch Barrieren gibt, die aus beeinträchtigten Menschen erst behinderte Menschen macht. Die einzelnen Gespräche zeigen jedoch gut, welche Zustände in der Pflege und den anderen Bereichen der Care Berufe herrschen. In den Gesprächen mit Mitarbeiter*innen, die in Institutionen für Behinderte Menschen arbeiten gibt es teil harsche Kritik an den Institutionen, von den Wohnformen bis zu den Werkstätten. Alles in allem wird aus dem Buch deutlich, dass Klatschen auf den Balkonen und nur mehr Geld nicht reicht, um Im Care Bereich etwas zu ändern.

Was ich etwas vermisst habe, ist eine generellere Kritik an der institutionalisierten Behindertenhilfe und die Frage ob diese mit Inklusion vereinbar ist auch wenn die Kritik der dort arbeitenden Kolleg*innen am Istzustand teils sehr deutlich ist, wird die Systematik nicht in Frage gestellt.

Das Buch Pflegeprotokolle lohnt sich trotz der Kritik zu lesen.

Pflegeprotokolle
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