Migrationsbedingt behindert? Familien im Hilfesystem eine Rezension

Donja Amirpur hat mit Migrationsbedingt behindert ? Familien im Hilfesystem“ eine intersektionale Perspektive, erschienen im transcript Verlag (Bielefeld) 2016. 310 Seiten, ein Buch geschrieben was die sozialen Kategorien Behinderung und Migration zusammen denkt und der Frage nachgeht, ob betroffene Familien und dabei vor allem die mit islamischer Religionszugehörigkeit, in besonderer Weise von Diskriminierungen im Hilfesystem betroffen sind und wie sich diese ausdrücken. Donja Amirpur ordnet ihre thematische Fragestellung in behindertenpolitische und fachliche Diskurse ein und nimmt begriffliche Klärungen vor. Sie weist nach, dass die geringe Inanspruchnahme von Angeboten der Behindertenhilfe durch islamische Familien nicht auf kulturelle oder religiöse Eigenheiten zurückzuführen ist, sondern auf Diskriminierungsmechanismen des Hilfesystems.

Es liegt also nicht an der angeblich anderen Kultur, in kultureller Fremdheit bzw. in vormodernen Behinderungsvorstellungen, sondern in  der Mehrheitsgesellschaft wirken Differenzlinien wie z.B.Geschlecht, Herkunft,  oder Behinderung entlang derer Diskriminierungsmechanismen wirken. Wenn Personen von mehreren Differenzmerkmalen betroffen sind – etwa im Kontext von Behinderung und Migration –, können sich die Mechanismen der Benachteiligung wechselseitig verstärken. Donja Amnipur weist nach, dass fehlende interkulturelle Kompetenz in der Behindertenhilfe und mehr oder weniger bewusst praktizierte Diskriminierungshandlungen vorhabden sind.

Bemerkenswert ist auch der Exkurs innerhalb des Buches  zu Aussagen des Koran und zu deren  theologischen Interpretationen  für den  Umgang mit behinderten Menschen.

Der empirische Teil der vorgestellten Untersuchung dokumentiert und analysiert elf Fallgeschichten muslimischer Familien mit behinderten Kindern, die entweder einen türkischen oder iranischen Hintergrund haben. Die Darstellungen beruhen auf Ergebnissen von qualitativen Interviews, die die Autorin teils auf Deutsch, teils auf Türkisch, oder auf Persisch über Dolmetscher*innen mit den Müttern, Vätern und einer Großmutter geführt hat. Dass die von Donja Amirpur in die Interviews eingebrachte Frage nach möglichen Vorzügen eines islamischen Wohlfahrtsverbandes in mehreren Fällen dahingehend beantwortet wird, dass gesagt wird, dass es auf verlässliche Hilfe und nicht auf religiöse Orientierung ankäme, hat mich sehr überzeugt. Einen breiten Raum nehmen in den Fallgeschichten vielfältige Erfahrungen von Diskriminierung ein.

Die Schlussfolgerung, der Autorin lassen nur den Schluss zu, dass wir in der BRD von einer Erfüllung der Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention noch weit entfernt sind. Denn die Probleme, mit denen die muslimisch migrantischen Familien konfrontiert sind, sind denen nicht migrierter Familien mit behinderten Kindern sehr ähnlich. Beispielsweise wenn es um gleichberechtigte Kooperation mit Fachleuten und z.B, um den Zugangs zu Informationen, zu inklusiven Bildungsangeboten oder auch des Verstehens von professioneller oder sozialrechtlicher Fachsprache, geht. Übersehen werden darf bei dieser Gegenüberstellung allerdings nicht, dass sich die Kategorien Migration und Behinderung wechselseitig verstärken können und zu speziellen Ausgrenzungserfahrungen führen.

Dieses Buch beweist eine meiner Forderungen, dass der Diskurs um Inklusion nicht nur für den Bereich Menschen mit Beeinträchtigungen gelten sollte sondern auch für den Bereich Migration. Deshalb, lasst uns das Wort Integration und die damit verbundenen Forderungen nach Anpassung des Einzelnen an die Gesellschaft auf den Müllhaufen der Geschichte befördern!

Inklusion statt Integration Inklusion für Alle!  Das Buch Migrationsbedingt behindert? Muss in allen Beratungsstellen für behinderte Menschen in den Bücherschrank und sollte gelesen werden

Arbeit Inklusion statt Integration Sexualassistenz

 

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