»Krüppelpassion« von Jan Kuhlbrodt – eine Rezension

2023 erschien Krüppelpassion – oder vom Gehen von Jan Kuhlbrodt im Gans Verlag es hat 240 Seiten Hardcover Fadenbindung und kostet 30 Euro  ISBN 978-3-946392-34-7

In »Krüppelpassion«  schreibt  Jan Kuhlbrodt über seine MS Erkrankung. Kuhlbrodt wurde 1966 Karl-Marx-Stadt, geboren. Bis zu seiner Arbeitsunfähigkeit war er als freier Schriftsteller tätig. Nach dem Studium der Politischen Ökonomie in Leipzig und der Philosophie in Frankfurt am Main studierte er am Leipziger Literaturinstitut, wo er später auch als Gastprofessor lehrte. Kuhlbrodt war von 2007 bis 2010 Geschäftsführer der Literaturzeitschrift «Edit». Für «Krüppelpassion» erhielt er 2023 den Alfred-Döblin-Preis. 

Jan Kuhlbrodt schreibt am Anfang des Buches von der Krankheit und dem Tod seiner Mutter, die auch an MS erkrankt war. sehr spannend  finde ich auch seine Gedanken im ersten Kapitel wie im antiken  Griechenland  über Freiheit nachgedacht wurde und wie in dieses Konzept von Freiheit  Körper mit Beeinträchtigung nicht hinein  passen dabei geht er auf Aristoteles ein um eine Linie zu den deutschen Faschisten und Leni Riefenstahl zu ziehen um dann zu Aussagen “wie ich könnte das ja nicht” die meist von jungen nicht-behinderten Menschen in  der Jetztzeit getätigt werden. Diese Gedanken lassen erahnen, dass eugenisches Gedankengut nach dem Motto lieber tot als behindert wohl leider nie ganz verschwinden wird.

Zu Beginn des Buches  nutzt Jan Kuhlbroth  erst seit kurzem einen Rollstuhl. «Vom Gehen» ist das Buch untertitelt, das deutet an, was  der Verlust des Gehens für ihn  anfänglich bedeutet hat.

 (Anmerkung: es sollte aber genauso nachvollziehbar sein, dass Menschen, die sich von Anfang an im Rollstuhl fortbewegen, das Gehen als Form der Fortbewegung nicht vermissen.) 

Sehr subtil aber für Leser*innen vor allem die mit Gehbeeinträchtigung deutlich erkennbar geht er im ersten Kapitel auf nicht barrierefreie Bodenbeläge wie Kopfsteinpflaster ein. Er schreibt auch, dass er heute  keine Erinnerungen mehr daran hat, wie sich Laufen anfühlt. 

Jan Kuhlbroth schreibt auch sehr unverblümt über seine Blaseninkontinenz durch die MS. Es folgen mehr oder weniger Lange Texte wie z.B. einer mit dem Titel Traum im CT, es geht um eine CT Behandlung die sehr gelungen mit einer Disco verglichen wird und um einen Traum mit Liebespaar und es wird die Frage gestellt.  Wird er noch der Liebste sein,wenn er hinkt, über den Berg kriecht? 

Oder wenn es um Bücher, und Regale und Ordnung im Bücherregal geht. (ich fühle diesen Text)

in einem Text  gehts  um einen Aufenthalt in einem Berliner Club und die nicht barrierefreien Toiletten. Auch das fühle ich.  

Oder es werden in einem  Text Pandemie  und Barrierefreiheit in Verbindung gebracht usw. Der rote Faden des Buchs Krüppelpassion ist die Endlichkeit des Lebens und es ist ein Plädoyer für einen anderen Umgang mit behinderten und chronisch kranken Menschen. Das Buch ist in den meisten Texten nüchterne großartige Prosa,  um so mehr hat mich  eine  Textstelle im Text  mit dem Titel das Thema verärgert 

“Stellt euch also vor, was für ein berechtigter Krawall losbrechen würde, wenn am deutschen Literaturinstitut in Leipzig ….. ein Schild mit der Aufschrift angebracht  wäre :Zutritt nur für Weiße. Der Zugang zum Haus ist nur über Treppen ohne Handlauf möglich, das bedeutet :Zutritt nur für Gehfähige! Ganz ohne Schild” 

Was bitte zur Hölle soll diese Rassismus Relativierung in Zeiten wo Unterkünfte für geflüchtete Menschen brennen und Faschos offen über Deportationen schwadronieren.  Kritik an der nicht vorhandenen Barrierefreiheit kann auch anders geübt werden, als damit so zu tun, als gäbe es keinen Rassismus mehr, sondern als einzige Diskriminierungsform nur noch Ableismus. 

Der rote Faden des Buchs Krüppelpassion ist die Endlichkeit des Lebens und es ist ein Plädoyer für einen anderen Umgang mit behinderten und chronisch kranken Menschen und eine Empfehlung wert. 

 

 Wenn ihr gerade in Berlin seit dann bestallt das Buch bitte hier https://dieguteseiteberlin.de/

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