2023 erschien KörperKult und Behinderung: Eine Geschichte zwischen Erniedrigung und Faszination von Udo Sierck bei AG SPAK Bücher. Das Buch ist in 7. Abschnitte eingeteilt.
Im 1. Abschnitts des Buches KörperKult und Behinderung der auch die Einleitung ist, schreibt Udo Sierck “ Körper mit auffallenden Merkmalen oder Bewegungen sind seit Jahrhunderten der Sensationslust ausgesetzt.” „Was Betreffende dabei empfinden, spielt keine wesentliche Rolle.” Als heutige Phänomene bei denen behinderte Menschen dieser Sensationslust heute ausgesetzt sind nennt Sierck Misswahlen Laufstege oder die Olympischen Spiele (er meint wahrscheinlich Paralympische Spiele) Diese Phänomene einfach nur für die Fortsetzung der Historie oder aber einen Akt der Emanzipation zu halten, greift laut Sierck beides zu kurz. Sierck kritisiert übersteigerte Schönheitsideale, die zu Essstörungen und psychischen Erkrankungen führen, er nennt noch einige Zahlen.
Im 2. Abschnitt mit dem Titel Die Schönen und die Hässliche, schreibt Sierck in einer kleinen Kapitel Einleitung, dass Schön und Hässlich sehr unbestimmte Begriffe sind, er nennt für beides einige Synonyme. Es folgen Ausführungen zu Konzepten von Schönheit und Hässlichkeit seit dem 12 Jahrhundert, klar wird dabei, dass Schönheit und Hässlichkeit subjektiv ist und von Normen geprägt werden. Schon seit den alten Griechen in der z.b. in der Ilias werden körperliche Abweichungen und moralisches Fehlverhalten miteinander in Verbindung gebracht. Auf weitere Beispiele von Körperkult geht Udo Sierck unter der Überschrift „Äsop und das Weinfass“ ein.
Es folgen Ausführungen zu Marc Aurels Buckel oder dem Heldenepos Cligès und zu in der christlichen Welt verbreiteten Ansichten dass das Hässliche mit dem Teufel verbunden sei. Daraus folgt die Behindertenfeindlichkeit der katholischen Kirche auch in den eigenen Reihen. Auf Entstellungen im Gesicht wurde besonders negativ reagiert.
Warum nur die katholische Kirche Erwähnung findet und nicht auch der Antisemit Frauenhasser und Schreiber übelster Traktate gegen behinderte Menschen Martin Luther ist mir nicht ganz verständlich.
Auf der Grundlage das entstellte Gesichter angeblich auf den Charakter des Menschen als Ganzes schließen lassen, entstand die pseudo Wissenschaft der Physiognomie, diese führtein der Folge auch zu rassistischen Theorien daraus folgten Schädelvermessungen usw bis hin zum Mord.
Es kam auch zu pseudo-Theorien, man könne am Äußeren eines Menschen sehen ob dieser kriminell. auch eingegangen wird von Udo Sierck auf zwei “Theorien “des Gehens und auf die Bedeutung des schönen Körpers im Bürgertum. Udo Sierck geht dem Einfluss den Film und Werbung auf die Bedeutung von Schönheit haben auf den Grund. Zu guter letzt geht es im zweiten Abschnitt noch um Schönheitschirurgie und dem Körper als Ware.
Im 3. Abschnitt mit dem Titel „Körpersensationen-von Freaks und anderen Attraktionen“ geht es um die verschiedenen Formen des Spottes dem sich behinderte Menschen im Laufe der Geschichte immer wieder ausgesetzt sahen. Von Narren im Mittelalter bis hin zu den Freakshows die bis ins frühe 20. Jahrhundert reichen. Auch der Frage inwieweit die dort vorgeführten behinderten Menschen dort teilweise freiwillig arbeiteten wird angesprochen und die Freiwilligkeit eher verneint zu recht wie ich meine.
Die teils vorhandenen Zeitsprünge vor und zurück in den Jahrhunderten machen den ersten Teil des dritten Abschnitts unnötig anstrengend, mehr zeitliche Chronologie wäre gut gewesen.
Im dritten Abschnitt geht es auch um einen Abriss der Geschichte der Eugenik und um Gesundheitsideologie seit dem 19. Jahrhundert bis zu den Mordaktionen der deutschen Faschisten.
Unter Der Zwischenüberschrift “Monster im Bauch kritisiert Udo Sierck als nächstes die Umwelt und dabei vor allen die AKW Bewegung der 80 er Jahre dafür das sie sehr oft Behinderung als Schreckenszenario nutzte, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Auch die Friedensbewegung wird von Udo Sierck aus diesen Gründen kritisiert. Bei den Beispielen die Udo Sierck bringt bin ich ambivalent denn mit einer Beeinträchtigung zu Leben ist nicht das Ende und nicht immer mit Leid verbunden da hat Udo Sierck vollkommen recht aber die Argumentation geht mir vor allem bei der Friedensbewegung deshalb zu weit weil polemisch zu ende gedacht die Kritik von Udo Sierck bedeutet Menschen mit Beeinträchtigung müssen Kriege befürworten weil dadurch die Community vergrößert wird. Bei der Umweltbewegung finde ich die Kritik etwas nachvollziehbarer und wundere mich, dass Udo Sierck dieses Beispiel nicht aufzählt.
https://www.youtube.com/watch?v=EJjS1mPD2PY
Aber vielleicht geht das auch schon wieder als Satire durch.
Udo Sierck kritisiert in diesem Abschnitt auch Pränataldiagnostik er kritisiert hierbei vor allem die gesellschaftliche Ebene die auf Nichtbehinderte Normkinder setzt und alles dafür tut seine Kritik richtet sich nicht an die einzelne schwangere Person die sich für Pränataldiagnostik entscheidet.
Der 4. Abschnitt des Buches hat den Titel “ Körperfaszination – von der Barbie Puppe zur Miss Landmine“. Udo Sierck kritisiert in diesem Abschnitt die Berichterstattung vor allem über Sportler*innen mit Beeinträchtigung und er kritisiert die Paralympics als Sonderveranstaltung. Auch kritisiert wird die Vereinnahmung behinderter Menschen in der Werbung wo sie meist als bemitleidenswerte Opfer oder als abschreckendes Beispiel herhalten müssen. Aus meiner Sicht ist Udo Siercks Kritik an Misswahlen und Modenschauen die er auch in diesem Abschnitt anbringt etwas zu einseitig auch wenn er grundsätzlich recht hat das Firmen im Kapitalismus nie etwas au reiner Menschenliebe tun auch etwas zu überspitzt ist mir die Kritik Udo Siercks an der Prothesenentwicklung er geht mir zu wenig auf die positive Seite von Prothesen als Hilfsmittel ein. Udo Sierck erwähnt auch die aus meiner Sicht absurden Beispiele dass z.b. Sportlrt*innen mit Prothesen nicht mehr an Sportwettbewerben der nicht-behinderten Sportler*innen teilnehmen dürfen, weil ihnen eine Art Technikdoping vorgeworfen wird. https://inklusion-statt-integration.de/markus-rehm-der-prototyp-inklusiver-sportlerinnen/ mit gebotener Polemik wird von Udo Sierck auch die Darstellung behinderter Menschen im Film von heute beleuchtet. Als letztes wird in diesem Abschnitt auf drei Beispiele behinderter Körper in der Kunst und die Berichterstattung darüber eingegangen.
Der 5. Abschnitt des Buches ist mit Akzeptanz und Emanzipation überschrieben. Darin wird ein gelungener Versuch unternommen, wie wir als behinderte Menschen uns unsere Geschichtsschreibung aneignen und zurückholen können.
Abgeschlossen wird der Inhaltliche Teil des Buches mit dem 6. Abschnitt den Persönlichen Anmerkungen des Autors.
Im siebten Abschnitt sind weiterführende Literatur und die Internetquellen aufgeführt.
Auch wenn ich nicht alles teile, was Udo Sierck in KörperKult mit Behinderung ausführt, ist das Buch KörperKult mit Behinderung wie immer bei Udo Sierck eine sehr gelungene Intervention in den “Normalzustand” und ist sehr lesenswert.