Warum das Lieferkettengesetz aus meiner Sicht auch nationale und Europäische Lieferketten in den Blick nehmen sollte und nicht nur die beim Handel mit dem globalen Süden. Ich werde im Folgenden darstellen, was dies für Unternehmen bedeuten würde, die in Behindertenwerkstätten und/oder Gefängnissen produzieren lassen, und warum es deshalb dort auch nicht gilt.
Wenn VW von Kinderarbeit in Minen im Kongo profitiert, weil die Zulieferer dort Kobalt durch Kinder abbauen lassen, konnten die Kinderarbeiter*innen bisher nicht gegen VW vorgehen. Das soll sich jetzt minimal verbessern, in dem Unternehmen ab 3000 Mitarbeiter*innen ihre Lieferketten offen legen müssen und ihnen auch Strafen drohen wenn sie an im Lieferkettengesetz problematisierten Praktiken verdienen. Das sind z.B. fehlende oder zu geringe Sozialstandards, wie zu hohe Arbeitsbelastung, mangelnde Arbeitssicherheit, mangelnder Arbeitsschutz, zu hohe Arbeitszeit, mangelndem betrieblicher Gesundheitsschutz, Kinderarbeit oder der nicht Einhaltung von Umweltstandards. Würde das Lieferkettengesetz auch für EU interne oder nationale Lieferketten gelten, wäre das in der EU geltende Prinzip des freien Warenverkehrs gefährdet. Denn z.B Unternehmen aus Deutschland oder Frankreich würden nicht mehr von den Niedrigstlöhnen in z.B. Rumänien profitieren können. Wenn es dann auch noch für nationale Lieferketten innerhalb der EU-Länder gelten würde, könnten Unternehmen nicht mehr von Zwangsarbeit in den Gefängnissen oder von ausbeuterischen Produktionsverhältnissen in Werkstätten für behinderte Menschen profitieren. In deutschen Gefängnissen z.B arbeiten die Insassen für private Firmen zu einem Bruchteil des Mindestlohns. Zwangsarbeit ist in Deutschland eigentlich verboten, doch Artikel 12 des Grundgesetzes sieht eine Ausnahme vor: „Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.“ In vielen Bundesländern sind Strafgefangene tatsächlich zur Arbeit verpflichtet. Die Inhaftierten erhalten in deutschen Gefängnissen für ihre Arbeit laut Gesetz
1.Nur zwischen ein und drei Euro pro Stunde. Sie haben somit keinen Anspruch auf Mindestlohn.
2.Ergeben sich aus ihrer Arbeit keine Rentenansprüche.
3.Beschäftigte in Gefängnissen haben kein Anrecht auf Arbeitslosengeld oder Kurzarbeitergeld,
4.Sie dürfen ihre Gewerkschaft nicht frei wählen. Ein Streikrecht gibt es nicht.
Für Gefangene gelten also grundlegende Arbeiter*innenrechte nicht. Davon profitieren tun die Firmen, für die die Gefangenen arbeiten. Dafür verkaufen die Gefängnisse die Arbeitskraft ihrer Insassen an die Unternehmen und verdienen damit Geld.Vom lokalen Handwerksbetrieb, international tätige Mittelständler bis hin zu Weltkonzernen, lassen in Gefängnissen produzieren, darunter bekannte Marken wie Gardena, Miele, VW, Daimler oder BMW. Warum Unternehmen in Gefängnissen produzieren begründen diese mit einem guten wirtschaftlich Kompromiss die jeweiligen Gefängnisse liegen näher am Produktionsstandort und damit sei der Logistikaufwand geringer, als bei einer Fertigung im Ausland. Bei den reinen Auftragskonditionen wie Stückpreis oder Stundensatz liegen die JVA’en typischerweise zwischen regulären heimischen Zulieferunternehmen und solchen aus Niedriglohnländern. Unter den Gefängnissen gibt es einen Preiswettbewerb. Die Angebotspreise der JVAs sind nicht einheitlich, sondern unterscheiden sich in ihrer Höhe teilweise beträchtlich. Wenn es einem deutschen Unternehmen noch billiger kommt, lassen deutsche Unternehmen auch in ausländischen Gefängnissen, z.B. in Spanien, produzieren. Die Gewerkschaften in Spanien sprechen von „sklavenähnlichen Bedingungen“ in den Betrieben hinter Gittern. Werkstätten für behinderte Menschen = WfbM, sind auch ein beliebter heimischer Billiglohnstandort. Ebenso wie in Gefängnissen ist der Rechtsstatus bei Beschäftigten in WfbM nur arbeitnehmerähnlich. Z. B. gelten auch hier die Regelungen zum gesetzlichen Mindestlohn nicht. Das Werkstattentgelt liegt im Durchschnitt bei 200€ im Monat. Beschäftigte in einer WfbM haben kein Anrecht auf Arbeitslosengeld oder Kurzarbeitergeld. Im Gegensatz zu Gefangenen erwerben Beschäftigte in WfbMs Rentenansprüche. Streikrecht gibt es in WfbM auch nicht. Ich fordere deshalb, dass das Lieferkettengesetz auf alle ausbeuterischen Produktionsbedingungen ausgedehnt wird und eine Beendigung des arbeitnehmer*innenähnlichen Beschäftigungsverhältnissen in Gefängnissen und WfbMs. In WfbMs bis zu deren Abschaffung, und in Gefängnissen dauerhaft sollte folgendes gelten:
1.Mindestlohn in WfbMs und Gefängnissen
2.Abschaffung der Zwangsarbeit in Gefängnissen
3.Rentenanspruch für arbeitende Gefangene
4.Arbeitslosengeld für arbeitende Gefangene und Beschäftigte in WfbMs
5.Anspruch auf Kurzarbeiter*innengeld in Gefängnissen und WfbMs
6.Recht auf freie Wahl einer Gewerkschaft in Gefängnissen und WfbMs
7.Streikrecht in Gefängnissen und WfbMs
8.Recht auf einen richtigen Betriebsrat für Beschäftigte in Gefängnissen und WfbMs.