Die Welt der Frauen und Mädchen mit AD(H)S eine Rezension

Das Buch Die Welt der Frauen und Mädchen mit AD(H)S Warum sie so besonders sind und was sie stark macht von Christine Carl Ismene Ditrich Christa Koentges und Swantje Matthies aus dem Jahr 2022 erschienen im BELZ Verlag  greift ein wichtiges Thema auf das viel zu wenig Beachtung erfährt. Unbedarfte Leser*innen könnten  jetzt denken, warum es hier nur um Frauen und Mädchen mit AD(H)S und nicht um Menschen mit AD(H)S geht aber auch wenn das Buch ein sehr cis normatives Verständnis von Frauen und Mädchen hat ist es gerechtfertigt das es mal nicht um cis Männer geht denn wie der Verlag schreibt erhalten Frauen und Mädchen mit AD(H)S viel seltener eine Diagnose als Männer und Jungen.
Das Buch ist in 10 Abschnitte eingeteilt: ein Vorwort und 9 Kapitel. Gleich am Anfang des Vorworts steht das viele Frauen und Mädchen mit AD(H)S gar nicht wissen das sie AD(H)S haben  die Autor*innen sagen, dass dies gut sei, die Begründung dafür lautet,  diese Frauen und Mädchen werden für ihren schnellen Blick, ihre Lebendigkeit, ihre Spontanität, ihre Vorstellungskraft und ihr soziales Engagement geschätzt. Andere Frauen und Mädchen wissen ebenfalls nicht von ihrer Diagnose und für diese Frauen ist es nicht gut weil sie an der Situation in der sie sind leiden und  an die zweite Gruppe richtet sich das Buch diese Mädchen und Frauen bleiben ohne Diagnose hinter ihren Möglichkeiten zurück und können ihre  Potenziale nicht ausschöpfen, sie mit den Herausforderungen die der Alltag an sie stellt überfordert sie können aber schwierige und komplexe Aufgaben  mit Leichtigkeit lösen. Ein massives Problem, was sich dabei für Frauen mit AD(H)S stellt, ist gesellschaftlich bedingt: die Routinen des Haushalts und des Familienlebens werden meist von Frauen erledigt Routine ist aber Menschen mit AD(H)S Gift deshalb brauchen Frauen mit AD(H)S  in ihrem Alltag Entlastung von Routinen. Die Autorinnen weisen darauf hin dass lange Zeit nur der (cis) Mann Objekt der Forschung war und nicht beide (alle) Geschlechter diese Wissenschaftliche Ignoranz  hat negative Auswirkungen wenn die Symptome bei anderen Geschlechtern wie dem als Norm gesetzten cis Mann anders zu Tage treten und dann noch aufgrund von Rollenbildern falsch interpretiert werden.
Die Autorinnen definieren AD(H)S als biologische Besonderheit und  Entwicklungsstörung, ich fände die Begriffe Diversität und Neurodiversität also die Selbstbezeichnungen  vieler  Betroffener hilfreicher. Im ersten Kapitel  mit dem Titel  Aufmerksam, hyperaktiv, impulsiv. Was ist AD(H)S? Im nächsten Schritt arbeiten sich die Autorinnen erstmal  am Begriff normal ab, um dann zu fragen,  was ist eine Krankheit? Die Begriffe, Symptom Syndrom, Störung und Krankheit werden erklärt.
Die Autorinnen gehen darauf ein dass AD(H)S ein Spektrum ist um dann festzustellen  dass wenn ein Mensch zu weit auf einer Seite des Spektrums kippt kann es zu den für AD(H)S typischen  Konflikten mit dem sozialen Umfeld  und auch zu gesundheitlichen Problemen kommen, wobei zweiteres bedingt durch  ersteres ist.
Die Autorinnen weisen darauf hin, dass AD(H)S, obwohl es nicht erst im Erwachsenenalter entsteht, durchaus erst im Erwachsenenalter diagnostiziert werden kann. Unter der Zwischenüberschrift wie entsteht AD(H)S eigentlich geht es um Hirnstrukturen,  Neurotransmitter  und um weibliche Sexualhormone und wie diese auf AD(H)S.
Kapitel 2 mit dem Titel Weniger auffällig weniger schlimm? Warum AD(H)S bei Frauen und Mädchen häufig unbemerkt bleibt. Wird noch mal darauf eingegangen, dass Frauen und Mädchen seltener diagnostiziert werden und Frauen werden eher später diagnostiziert und im Erwachsenenalter teils schon öfter als Männer sind, aber immer noch die Minderheit. Zyklus bedingte Hormonschwankungen und damit Verbundene Stimmungsschwankungen und er Umgang der Gesellschaft damit im Klartext der Sexismus der Gesellschaft erschwert die Diagnostik bei cis Frauen und cis Mädchen. Das Manko des Buches,  dass es sehr binär ist wird hier auch wieder deutlich. Bei cis Frauen und Mädchen ist die ADS also der Subtyp ohne Hyperaktivität häufiger als AD(H)S. Zur Häufigkeit von AD(H)S gibt es auch die Theorie, dass Personen mit zwei X Chromosomen eine geringere genetische Anfälligkeit für AD(H)S haben.
Im 3. Kapitel geht es darum, welche Auswirkungen die verschiedenen Lebensabschnitte auf das AD(H)S haben:  Kindesalter, (vor der Schule) Schulalter, Jugendalter, Erwachsenenalter, Rentenalter. In den ersten drei Kapiteln ging es vor allem um die Außenansicht auf AD(H)S.
In Kapitel 4 und 5 geht es mehr um die Innenansicht, die Menschen mit AD(H)S auf sich selbst haben. Als Leser*in fragt mensch sich unweigerlich, warum erst jetzt. Es kommen Patient*innen der Autor*innen zu Wort deren Aussagen werden dann eingeordnet,  diese zwei Kapitel sollen hier nicht gespoilert werden.
Im 6 Kapitel geht es laut Kapitel Titel um Begleiterkrankungen und Folgeprobleme, es geht dann z.B. Dyskalkulie, Legasthenie, Autismus, Angsterkrankungen Depression, Traumata und Gewalt, Persönlichkeitsstörungen  und Schlaf und AD(H)S. Strukturell finde ich es nicht gut gemacht, dass unter einer Zwischenüberschrift in diesem Kapitel auch Schwierigkeiten im sozialen Umfeld thematisiert werden. Wie AD(H)S und Familie AD(H)S und Mutterschaft, AD(H)S und  Partner*innenschaft AD(H)S  und Beruf, die Abschnitte sind inhaltlich sehr aufschlussreich, ich finde sie hätten eine größeren Fokus und ein eigenes Kapitel verdient.
Im 7. Kapitel soll es um Ressourcen gehen, die Frauen und Mädchen mit AD(H)S haben, sie werden metaphorisch mit Rennpferden und Einhörnern, verglichen das finde ich eher misslungen. Es ergibt aber Sinn, auf neurodiverse Menschen nicht nur defizitär zu schauen, sondern auch darauf, welche Potenziale in ihrer Neurodiversität liegen. Dafür wäre es aber auch gut, schon weiter vorne im Buch eben nicht von Störung, sondern von Neurodiversität zu sprechen. Gut ist in diesem Kapitel der Abschnitt über Vorbilder mit AD(H)S und dabei ob AD(H)S Medikamente im Sport als Dopingmittel gelten müssen. Ich sehe dabei eine Parallele zu Markus Rehm bei dem es auch um sein Hilfsmittel (Prothese) die Diskussion  kreist ob diese Leistungssteigernd wirkt https://inklusion-statt-integration.de/markus-rehm-der-prototyp-inklusiver-sportlerinnen/
Im 8. und 9. Kapitel geht es um Selbsthilfe und Therapie. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dieses Buch empfehlen kann, sein Verdienst ist es aber ganz unbestritten, dass  das Thema Frauen und Mädchen mit AD(H)S  explizit  behandelt wird. Ich würde mir eine erweiterte Auflage wünsche die das Thema nicht so cis normativ aufgreift.
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