Die Ausstrahlung der Datingsendung „Besonders verliebt“ hat mich veranlasst diesen Text zu schreiben. In einer vom Kapitalismus geprägten Gesellschaft, in der alles zur Ware wird galten Menschen mit Beeinträchtigung auf dem Datingmarkt lange nicht als erste Wahl. In Zeiten des Onlinedatings ließen sich dann auch Menschen mit Beeinträchtigung und ihre Körper „vermarkten“. Ab diesem Zeitpunkt gab es dann sogar Sonderdatingportale, auf denen sich nach dem Motto „Gleich und Gleich gesellt sich gern“ nur behinderte Menschen anmelden können. Zunächst hört sich das erst einmal ganz gut an, da der Eindruck entsteht, in diesen Portalen würde auf die „besonderen“ Bedürfnisse eingegangen. Anzumerken ist allerdings, dass es allen Bemühungen um Inklusion zuwider läuft, wenn Menschen mit Beeinträchtigungen suggeriert wird, sie sollten sich besser eine*n Partner*in mit Beeinträchtigung suchen. Dazu kommt, dass mit solchen Portalen die nicht-beeinträchtigte Bevölkerungsmehrheit verschont wird, sich mit ihren Vorurteilen über beeinträchtigte Körper bei der Partner*innenwahl beschäftigen zu müssen.
Die Entwicklung von diversen Dating – Apps für das Handy war da fast schon ein Glücksfall für behinderte Menschen, da sie dort ihre Profile so gestalten können, dass sie entweder offensiv mit ihrer Beeinträchtigung umgehen oder sie eben erst ansprechen wenn für sie der passende Zeitpunkt gekommen scheint.
Ein weiterer Aspekt beim Thema Dating sind Datingshows im Fernsehen in denen Menschen mit Beeinträchtigung erst einmal nicht vor kamen was sich zum Glück immer mehr ändert. das Format „The Undateables“ aus England stellte das erstemalbehinderte Mensche in einem solchen Format in den Mittelpunkt Aber wie der Titel schon sagt werden Menschen mit Beeinträchtigung als Unvermittelbare dargestellt, denen man sich jetzt annimmt. Die Show wurde erstmals im Jahr 2014 ausgestrahlt. Im deutschen Fernsehen gab es nach meiner Wahrnehmung weiterhin keine behinderten Teilnehmer*innen in Datinfshows bis Anfang 2021 beim Batchelor zwei Kandidatinnen mit Beeinträchtigung teilnahmen und das als ganz normaler Teil des Teilnehmer*innen-Feldes. Anstatt ab diesem Zeitpunkt bei allen Datingshows darauf zu achten, dass durch das Format auch Menschen mit Beeinträchtigung angesprochen werden, startete VOX am 12. Oktober 2021 eine erst mal 3-teilige Datingsendung mit dem Titel: „Besonders verliebt“.
Hier werden exklusiv Singles mit Beeinträchtigungen bei der Partner*innensuche begleitet. Schom Im zum Text zum Casting hieß es „VOX sucht „sympathische Singles mit Beeinträchtigungen, die sich einen Partner oder eine Partnerin wünschen“. VOX schreibt weiter: „Als Voraussetzungen für eine Teilnahme bei „besonders verliebt“ gilt, neben dem Mindestalter von 18 Jahren und dem Status als Single, dass unsere Hauptsingles eine sichtbare oder nicht sichtbare Behinderung, eine Erkrankung haben. Dieser Text ließ nichts Gutes erahnen, denn die Formulierung suggeriert das es die Beeinträchtigungen sind, die die Partner*innensuche erschweren, es ist aber die Gesellschaft, mit ihren Körpernormen die beeinträchtigte Körper abwertet und es somit Menschen mit Beeinträchtigung erschwert eine*n Partner*in zu finden.
In drei Folgen begleitete die Sendung Singles von dem Gang in eine Partner*innen-Agentur über die Einrichtung ihres Dating-Profils bis zur Vorbereitung auf das erste Date.
Folge: Besonders verliebt vom Dienstag 12.10.2021 bei VOX
In der ersten Folge von Besonders verliebt suchten Samira, Tobias, Igor und Mirjam nach Partner*innen. Dabei werden sie von der Erstellung eines Profils bei einer Datingseite bis zu den ersten Dates von VOX begleitet.
Die Datingseite wo das Profil erstellt wurde war das Datingportal „Handicap Love“. Dahinter steht eine Agentur, die aufgrund von Wünschen in ihrer Datei passende Partner*innen sucht, die sie dann den infrage kommenden Personen vorschlägt. Wichtig ist zu erwähnen, dass sich auf dieser Seite mittlerweile scheinbar auch nichtbehinderte Menschen anmelden können. Das war nicht immer so, denn ursprünglich konnten sich dort nur behinderte Menschen anmelden. Dass sich das geändert haben muss, erklärt sich aus dem Verlauf der Sendung, denn ein Teil der laut VOX ganz besonderen Singles bekam von den Expert*innen nichtbehinderte Datepartner*innen vorgeschlagen.
In der Sendung Besonders verliebt treten mehrere Datingexpert*innen auf, wovon eine eine Beeinträchtigung hat. Eine der Expert*innen ohne Beeinträchtigung sagt den verstörenden Satz:
„Menschen mit Beeinträchtigung haben einen kleineren Pool, aus dem sie auswählen können“.
Was bei mir die Frage aufgeworfen hat, was sie damit wohl meinte. Denn warum das so sein könnte wurde nicht erklärt. Ich kann nur hoffen, sie meinte damit nicht, dass für Menschen mit Beeinträchtigung aufgrund der Beeinträchtigung die logische Folge ist dass die/der Partner*in auch eine Beeinträchtigung hat Befürchte aber, sie meinte genau das. Die Datingexpertin mit Beeinträchtigung war in der Sendung Besonders verliebt diejenige, welche die Kandidat*innen ermunterte und von Anfang an sinngemäß sagte, behinderte Menschen sollten einfach drauflos flirten, weil sie sonst was verpassen. Sie war die einzige, die einen guten Job machte.
Samira ist kleinwüchsig, der Part über sie war erfreulich klischeefrei, fand ich. Samira ging selbst auf das Thema „Körpergröße in Beziehungen“ ein, in dem sie darauf hinwies, dass, wenn Männer erfahren das sie kleinwüchsig ist, dies erstmal kein Problem zu sein scheint. Sie erklärte das damit, dass es ja eh gesellschaftliche Konvention ist, dass der Mann größer ist als die Frau. Sie schränkte aber ein, dass die Männer, wenn sie merken wie klein sie ist, leider doch oft geschockt reagieren.
Über ihren Wunsch Partner sagt sie, Achtung Klischeefalle, er sollte Größer sein wie sie. Fügte dann aber hinzu, dass das ja kein Problem ist und lachte. Das Date mit Holger, er ist nichtbehindert, verläuft, was den Zuschauer*innen gezeigt wird, holprig. Die beiden werden sich kein weiteres Mal sehen.
Der 23 – jährige Tobias, ist mit Carpenter-Syndrom auf die Welt gekommen, er wird mit Jessica gematcht. Sie hat auch eine Beeinträchtigung. An dieser Stelle hätte ich mir mehr Transparenz darüber gewünscht ob Jessica einfach nur die einzige war die ihn kennenlernen wollte oder wie dieses Date durch die Agentur zustande kam. Bei beiden funkte es und sie waren am Ende der Folge zusammen.
Igor ist gehörlos er und sein Date Markus gehen von Anfang an äußerst ungezwungen und zugewannt miteinander um bei ihnen hatte mensch Lust zu erfahren wie es weitergeht. Igor ist auch der einzige der vier wo nicht die Familie in die Vorbereitungen der Dates involviert war.
Zum Thema Familie in der Sendung schrieb Chris auf https://sexabled.de/ folgendes und traf damit den Nagel auf den Kopf:
„Besonders gruselig wird es immer dann, wenn die Familien mit im Spiel sind. Hier schenkt uns der Sender teilweise Momente aus der Hölle. Hier fällt direkt auf, dass sehr viel über die Teilnehmer:innen gesprochen wird, selbst dann wenn sie sich im selben Raum befinden und gut für sich selbst sprechen könnten. Die völlig bezugslose Reproduktion des Sorgenkind-Klischees ist an der Stelle fast schon geschenkt, weil erwartbar.“
Die 33 – jährige Mirjam und ihr Date haben beide eine leichte Lernbeeinträchtigung. Auch hier hätte mehr Transparenz über die Arbeitsweise der Agentur der Sendung gut getan. Aus dem Verlauf des Dates erfuhren wir als Zuschauer*innen nur, welche negativen Erlebnisse sie in der ein oder anderen Weise beide aufgrund der Beeinträchtigung erfahren hatten, und dass sie das miteinander verbindet. Wie es mit den beiden weitergeht, werden wir in der 2. Folge am 19.10.2021 um 20:15 erfahren.Für mich blieb die Frage: Warum das Ganze? Und: warum waren alle vier Kandidat*innen nicht einfach in einer der unzähligen anderen Datingshows? Warum brauchtdie Gesellschaft 11 Jahre nach der Ratifizierung der UN – Behindertenrechskonfention noch immer Sonderdatingshows und Sonderdatinportale für Menschen mit Beeinträchtigung obwohl in anderen Datingshows ja Kandidat*innen mit Beeinträchtigung teilnehmen auch auf VOX das mindeste wäre das noch eine andere Plattform einbezogen wird wo die Beeinträchtigung nicht im Vordergrund steht.
Folge 2 von „besonders verliebt“
In der zweiten Folge von „besonders verliebt“ wird Mirjam aus der ersten Folge weiter begleitet.
Neu dabei ist Daniel, er ist kleinwüchsig. Im Gegensatz zu Samira aus der ersten Folge sagt Daniel, dass aus seiner Sicht der Kleinwuchs einen erheblichen Anteil daran hat, dass er noch Single ist denn das Klischee sagt der Mann sollte größer sein als die Frau. Seine Dates mit einer nicht-beeinträchtigten Frau laufen ersteinmal ganz gut
Bei dem Part über Daniel ist aus meiner Sicht für den Verlauf der Sendung noch zu erwähnen, dass er während der Folge leider nicht erfolgreich an einem Speeddating teil nimmt, um sich dann in der Sendung – unvermeidlich – bei Handicap Love anzumelden und, wer hätte das geahnt – dort klappt es dann. Wir werden nie erfahren ob sein Part ausgestrahlt worden wäre wenn das Speeddating erfolgreich gewesen wäre.
In der Sendung lernen wir auch Anna kennen, sie hat Asperger. In ihrem Part erfährt man auch etwas mehr über die Arbeit der Agentur, denn Anna wird im Gespräch gefragt, wie ihr Wunsch in Bezug auf eine Beeinträchtigung beim Partner aus sieht, also ob sie sich auch einen Partner mit Beeinträchtigung vorstellen kann. Anna meint, ihr sei das egal. Ihr erster Match-Partner hat dann ebenfalls Autismus. Zum Ende der Folge erfahren wir dann, dass es scheinbar nicht gefunkt hat, denn wir dürfen Anna in der dritten Folge bei einem neuen Date weiter begleiten.
Auch Teil der zweiten Folge ist Helene, sie hat das Down Syndrom. Auch sie wird während der Sendung gefragt, ob sie sich einen Partner mit oder ohne Beeinträchtigung wünscht und sie zeigt keine Präferenz. Ihr Match hat dann eine Beeinträchtigung. Ob der junge Mann der erste und einzige war, der sich für Helene gemeldet hat, oder von der Agentur unter mehreren Interessenten ausgesucht wurde, wird nicht ganz deutlich. Was schön ist, es funkte und beide sind am Ende der Folge ein Paar.
Etwas negativ fällt mir bei Helene und ihrem Date auf, dass das Familiensetting eine Tendenz zum Sorgenkind Narrativ aufweist.
Für Denis läuft es nicht wie erhofft, nach anfänglicher Endtäuschung, weil er was anderes erwartet hatte, machte er sich dann Hoffnungen, aber es wird dann doch nichts…
Auch nach Folge 2 bleibt die Frage warum sind nicht alle Teilnehmer*innen einfach in einer der unzähligen anderen Datingshows Kandidat*innen geworden.
In der 3. Folge der Datingshow Besobders verliebt sehen wir Anna, die wir schon in der 2 Folge kennen gelernt haben. Beim Date in der 2. Folge hatte es bei Anna nicht gefunkt. Ganz anders dieses Mal: zwischen ihr und Gerion.
Wir lernen Welat kennen. Am Teil mit Welat ist sympathisch, Welat lässt Zweifel am Konzept von Handicap Love erkennen. Eine der Mitarbeiter*innen ermuntern ihn zu einem Speeddating. Leider folgt daraus kein Match. Der Grund dafür kann nur gemutmaßt werden. Entweder hatte er sich nicht bei „Handicap Love“ angemeldet – das wäre sympathisch, oder er hat kein Match bekommen – das allerdings wäre schade. Welat sucht ohne das Team von Besonders verliebt weiter.
Die Zuschauer*innen lernen auch Yannick kennen. Er hat das Downsyndrom der Date Vorschlag stößt erst nicht auf Gegenliebe. Yannick wird, so macht es den unangenehmen Eindruck, von den Eltern dazu gedrängt sich zu treffen. Bei mir entstand der Eindruck, die Eltern wären froh, dass der Date-Vorschlag Henriette auch das Downsyndrom hat. Yannick lässt sich aber darauf ein. Sein Date verläuft gut und es funkt sofort. Henriette und Yannick sind am Ende ein Paar. Was mich an diesem Date störte ist, dass die Darstellung in der Sendung, wie bei allen anderen Kandidat*innen mit Lernbeeinträchtigungen, wird der Eindruck vermittelt dass ein*e behinderte*r Partner*in die bessere Wahl sei. Was, nicht bedeutet, dass die gezeigten Gefühle nicht echt gewesen wären.
Wir lernen Julia kennen. Sie ist erfolgreiche Reitsportlerin,sie ist ohne Unterschenkel geboren und hat Anomalien an den Händen. Ihr Date hat keine Beeinträchtigung, ist Pfleger für Menschen mit Demenz und ist sehr schüchtern. Das erste Date der beiden, läuft stockend. Es gibt kein weiteres Date.
Tobias und Jesica aus der 1. Folge sind zusammen. Jesica ist bei Tobias zuhause und lernt dort dessen Mutter kennen. Sie ist mir zu neugierig. Tobias und Jesioa machen ein Fotoshooting – wie praktisch, dass die Schwester Fotografin ist.
Also, ich frage mich nach den drei Folgen immer noch warum es diese Sendung gibt und denke sie fördert nicht die Inklusion, auch wenn sie einzelne Menschen glücklich gemacht hat. Ich bin froh dass es keine weiteren Folgen geben wird.