Kein Örtchen Nirgends von Claudia und Bernd Hontschik eine Rezension

Das Buch „Kein Örtchen – Nirgends“ von Claudia  und Bernd  Hontschik, erschienen November 2020 im Westend Verlag, beschreibt ein Problem, dass jede*r kennt, was sich aber für behinderte Menschen noch in gesteigerter Form zeigt: der Mangel an öffentlichen Toiletten.

Die Autor*innen beschreiben, wie das Thema barrierefreie Toiletten ihren Alltag beeinflusst und wie sie durch den Mangel an selbigen in diesem eingeschränkt werden.

Aber nicht nur der direkte Mangel ist ein Problem, sondern falsche Informationen am Telefon über deren Existenz einer solchen. Wenn mensch sich beispielsweise auf die telefonische Auskunft von Besitzer*innen einer Bar verlässt, dann aber feststellen muss, dass die barrierefreie Toilette nicht erreichbar ist, da sie im Keller liegt und nur über eine Treppe erreichbar ist.

Ein Schwerpunkt des Buches liegt auf den Absurditäten innerhalb der rollstuhlgerechten Toiletten beispielsweise bauliche Mängel. Genannt werden u.a. Haltegriffe, die so montiert wurden, dass sie den Transfer vom Rollstuhl auf die Toilette behindern, oder gar unmöglich machen. Dazu kommen Beispiele, wo barrierefreien Toiletten als Abstellkammer missbraucht werden oder kaputt sind.

Schwerpunkt des Buches ist Frankfurt und Umgebung aber auch die Raststätten auf deutschen Autobahnen. In diesen Zusammenhang wird auch der sog. „Euroschlüssel“ angemessen gewürdigt. Das Buch führt in einem Kapitel auch gute Beispielen an. Was bei den aufgezählten barrierefreien Sanitäranlagen auffällt das keines der erwähnten Frankfurter Museen gut dabei wegkommt.

Zur Gestaltung des Buches Kein Örtchen Nirgends  : jeder beschriebene Mangel wird mit einem Bild belegt. Die graphisch schon vorgenommenen blauen Unterstreichungen, die mit Pfeilen zum richtigen Bild führen, sind gut gemeint. Allerdings erwecken sie bei mir den Eindruck, dass die Leser*innen nicht ernst genommen werden und ihnen nicht zugetraut wird beschriebenes und Bilder zu kombinieren

Lustig finde ich das kleine Bilderrätsel im Buch, wo die Leser*innen 7 Fehler finden sollen. Auf den folgenden Seiten gibt es die Auflösungen dazu. Da eine der Autorinnen selbst Rollstuhlnutzer*in ist und der zweite beteiligte Autor ihr Mann ist, wissen beide von was sie schreiben.

Ein Nebenthema des Buches ist die bauliche Barrierefreiheit im öffentlichem Raum. Denn auch da steht manchmal Barrierefreiheit drauf, wo keine ist: zu schmale Türen, zu steile Rampen.

Die Beispiele sind vielfältig.

Wem ist das Buch Kei Örtchen Nirgends aus meiner Sicht zu empfehlen? In der Frankfurter Kulturverwaltung sollte es Pflichtlektüre sein!

Das Buch eignet sich aus meiner Sicht auch, um im Architekturstudium das Thema Barrierefreiheit einzuführen.

Für die Durchschnittsleser*innen eignet sich meines Erachtens das Buch nicht so richtig, da es zu wenig polarisiert um als Anstoß zur Beschäftigung mit dem Thema „Barrierefreiheit“ zu dienen. Ebenfalls zu wenig konkret und pointiert ist das Buch, um bei behinderten Menschen Spaß beim Lesen zu erzeugen. Für diesen Leserkreis enthält es zu viel Altbekanntes. Allerdings eignet es sich durchaus für die Vorbereitung auf eine Städtetour nach Frankfurt.

Was mir total fehlt ist die Formulierung eines Ausblicks in die Zukunft in der es nur noch barrierefreie Toilettenanlagen gibt. Aus meiner Sicht könnte diese Zukunft z.B. so aussehen: es gibt nur noch barrierefreie „All-Gendertoiletten“, denn dann gäbe es nicht nur mehr barrierefreie Toiletten, sondern die Toilettenlandschaft in Deutschland wäre damit auch ein Stückchen Trans-inklusiver,

Ach ja, bei Behindertentoiletten klappt das mit „All-Gender“ auf einer Toilette schon immer, auch wenn das nicht daran liegt, dass bei Behindertentoiletten Trans-Personen mitgedacht werden, sondern daran, dass Menschen mit Beeinträchtigung Geschlechtlichkeit abgesprochen wurde und wird. Das ist aber ein anderes Thema…

Ein Punkt der mich beim Lesen ein bisschen zum Schmunzeln gebracht hat ist die Episode über einen Mülleimer, der in der barrierefreien Toilette im Weg steht. Ich dachte da nur daran, dass ich als behinderter cis Mann, der meist die Männertoilette der Nichtbehinderten benutze (bin Läufer), hätte von Kindheit an, also schon in der Schulzeit, gern überhaupt einen Mülleimer in der Kabine der Toilette für meine Katheter gehabt. Auch diese Problematik wäre durch eine flächendeckende Installierung von barrierefreien „All Gender Toiletten“ endgültig gelöst.Die Kandidatin

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