Autokorrektur von Katja Diehl erschienen bei S Fischer eine Rezension

Katja Diehl hat mit Autokorrektur, erschienen bei S. Fischer, auf 272 Seiten ein Plädoyer für eine inklusive und klimagerechte Verkehrswende geschrieben. Die Autorin wünscht sich eine Gesellschaft, mit mehr Lebensqualität in Städten und auf dem Land. Deshalb fordert sie eine Verkehrswende, bei der die „öffentlichen Verkehrsmittel, Fahrradfahren und Laufen oder Rollstuhl fahren die umweltfreundlicheren Alternativen zum Auto darstellen“. Die Autorin weist nach, wie unser Verkehrssystem hauptsächlich von wohlhabenden, heterosexuellen, weißen cis-Männern nach ihren Bedürfnissen konzipiert wurde.

Die Wahl für das Auto sei selten frei und selbstbestimmt, so die Autorin. Sie stützt sich dabei auf Gespräche mit Frauen, Familien, Menschen im Ländlichen Raum, Menschen in Armut, Menschen mit Beeinträchtigungen, BIPoC, Transpersonen und alten Menschen. Diese Gruppen würden das Auto oft als Schutzraum vor Diskriminierung und Übergriffen im öffentlichen Raum nutzen. Auf die Argumente, die bei den Gesprächen welche die Autorin mit behinderten Menschen geführt hat, erwähnt wurden, gehe ich hier genauer ein.

Dramaturgisch ist das Buch in diesem Punkt nicht besonders spannend denn Katja Diehl fängt mit den Aussagen von Raul Krauthausen an (das war gar nicht erwartbar :-)). Interessanter wäre es, meines Erachtens gewesen, mit den Aussagen einer anderen behinderten Person anzufangen denn die ersten und die lezten Aussagen bleiben am präsentesten und es tut gut wenn diese Aussagen nicht immer von den selben Menschen kommen . Aber die Aussagen von Raul Krauthausen sind so, dass ich fast allen zustimmen kann, beispielsweise dass die Behindertenfahrtdienste zu unflexibel sind. Was mich wundert ist, dass Raul Krauthausen Scooter nicht kritischer beurteilt, was im Übrigen auch eine Kritik von mir an Katja Diehl ist.

Die Autorin erwähnt Scooter sogar mehrmals als Teil einer Mobilitätswende. Scooter sind aus meiner Sicht keine sinnvolle Ergänzung in einem Mobilitätskonzept der Zukunft, sondern eine Gefahr für behinderte Menschen.

Dass Raul Krauthausen das peinliche Rumgeeiere in Berlin mit den Inklusionstaxen nicht erwähnt verstehe ich ebenfalls nicht. Berlin bekommt es seit Jahren nicht hin, dass eine angemessene Zahl an Taxen in Berlin barrierefrei sein müssen. Ich hielte eine 10% Quote bei allen Taxiunternehmen mit mehr als 10 Fahrzeugen für angemessen. Unternehmen die dies nicht umsetzten, sollten ihre Lizenz verlieren. Damit gehe ich ein wenig über die geltende gesetzliche Regelung hinaus. Denn seit August 2021 gilt die neue Bestimmung im §64c des Personenbeförderungsgesetzes, wonach künftig Beförderungsbetriebe, die mehr als 20 Taxi-Konzessionen betreiben, fünf Prozent ihrer Flotte mit rollstuhltauglichen Fahrzeugen ausstatten müssen.

Erwähnenswert finde ich auch die Aussagen von Katrin Langensiepen, die neben vielem Richtigem auch Seltsames äußert. Das Langensiepen z.B. ausgerechnet auf das Beispiel Behindertenwerkstatt zurückgreift, wo Beschäftigte oft mit Behindertentransportern hingebracht werden um die mangelnde Barrierefreiheit im ÖPNV zu kritisieren ist ärgerlich, weil sie nicht gleichzeitig die Werkstätten kritisiert, in denen die beeinträchtigten Beschäftigten weit unter dem Mindestlohn arbeiten müssen. Dies zeugt von ihrer Mitgliedschaft in einer Regierungspartei (Bündnis 90 Die Grünen), für die sie im EU-Parlament sitzt, und die an der Situation von Menschen in Werkstätten nichts ändern will.

Der Teil mit den Gesprächen mit Menschen aus marginalisierten Gruppen ist der beste Teil im Buch Autokorrektur .

Katja Diehl  macht in  Autokorrektur auch einige sehr konkrete Vorschläe wie man eine Verkehrswende in ihrem Sinne beginnen und in der Praxis umsetzen könnte:

  1. Ein Deutschlandticket für alle öffentlichen Verkehrsformen.

Grundsätzlich eine gute Idee. Was aber nicht passieren darf ist, dass, wie beim sogenannten 9.- € Ticket die Umsetzung so schlecht geplant wird, dass es zwar ein günstiges Bundesweites Ticket gibt aber Pendler*innen mit Beeinträchtigungen nicht mehr in die Züge kommen, weil die Bahn nicht mehr Wagons zur Verfügung stellt. Auf das 9.-€ Ticket konnte Katja Diehl nicht eingehen da das Buch vor dessen Einführung bereits veröffentlicht war.

  1. Fordert sie eine Verankerung und den Ausbau des On-Demand-Ridepoolings.

https://de.wikipedia.org/wiki/Ridepooling. Klar muss sein das diese Angebote Barrierfrei sein müssen

  1. Fordert sie Tempo 30 in Städten für Sicherheit und Gleichberechtigung zwischen den Verkehrsteilnehmer*innen
  2. Fordert sie Belohnung für lokale emissionsfreie Mobilität und Bepreisung von Mobilitätsformen nach CO2-Fußabdruck.

Ich würde hinzufügen Verbot von SUV in Innenstädten und Autos müssen voll besetzt sein wenn sie in die Innenstädte wollen.

  1. Fordert sie die 15-Minuten-Stadt – ein Konzept, welches sich die Pariser Bürgermeisterin, Anne Hidalgo, zum Ziel gesetzt hat. Demnach sollen die wichtigsten Orte für den täglichen Bedarf in den einzelnen Stadtteilen in 15 Minuten zu Fuß beziehungsweise mit dem Fahrrad erreichbar sein.
  2. Die Superblocks in Barcelona, diese zeichnen sich durch vier bis neun benachbarte Wohnquartiere aus das Besondere daran: die Bewohner:innen brauchen kein Auto, um die Stadt zu passieren. Diese sind in den genannten Vierteln nämlich verboten.

Was mir fehlt ist ein ausführlicheres Eingehen auf die Folgekosten von E- Mobilität

Mein Fazit ist: ich hatte mir mehr erwartet. Aber den Ansatz, das auf das Auto fixierte Mobilitätskonzept als patriarchal, rassistisch, tranfeindlich, armenfeindlich und als ableistisch zu entlarven und die Verkehrswende von marginalisierten Gruppen herzudenken finde ich gut. Dieser Aspekt macht das Buch Autokorrektur lesenswert.

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