Arbeit und Behinderung erschienen 2021 eine Buchrezension

2021 ist im Transcriptverlag das Buch „Arbeit und Behinderung“ von Sarah Karim erschienen Untertitel „Praktiken der Subjektivierung in Werkstätten und Inklusionsbetrieben“.

Das Thema hat für mich eine sehr hohe Relevanz, denn ich hatte mich 2018/19 im Rahmen der Erzieher*innenausbildung in meiner Facharbeit mit dem Thema Verselbständigung von Klient*innen in der Behindertenhilfe“ beschäftigt und dabei, unter anderem, den Bereich „Arbeit“ auf sein Potenzial im Bereich Verselbständigung hin untersucht. Im Folgenden werde ich die ersten Abschnitte des Buches rezensieren.

Im Vorwort bedankt sich Sarah Karim zunächst bei einigen Leuten. In der Einleitung stellt die Autorin die Wichtigkeit von Erwerbsarbeit in unserer Gesellschaft fest, und weist auf die aus ihrer Sicht großen staatlich- und zivilgesellschaftlichen Bemühungen hin, behinderte Menschen in Arbeit zu bringen. Woher sie diese Einschätzung hat, ist mir allerdings nicht nachvollziehbar. Die Autorin weist aber auch auf die prekären Arbeitsverhältnisse hin unter denen behinderte Menschen noch häufiger leiden als nichtbehinderte Arbeiter*innen. Behinderte Menschen sind auch wesentlich länger arbeitslos, auf lernbeeinträchtigte Menschen trifft das noch in höherem Maße zu als auf körperlich beeinträchtigte Menschen. Das liegt u.a. daran, dass die Gruppe lernbeeinträchtigter Menschen den höchsten Anteil an Sonderschüler*innen stellt. Warum die Autorin diese Schulen, obwohl sie nicht einmal den Hauptschulabschluss ermöglichen, und somit der Weg der in Sonderschulen ausgebildeten Jugendlichen direkt in die Werkstatt führt, Förderschulen nennt bleibt ihr Geheimnis bzw. das Geheimnis der Erfinder*innen dieses Euphemismus.

Die Autorin weist auf eine Statistik der Lobbyorganisation der Werkstätten, der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für Menschen mit Behinderung hin. Laut dieser arbeiteten 2019 316.204 Beschäftigte in Werkstätten, davon waren 75% aller Werkstattbeschäftigen Menschen mit Lernbeinträchtigung. Die Gesamtzahl der in solchen Werkstätten beschäftigten Menschen ist im Vergleich zur Statistik von 2016, die ich bei meiner Facharbeit nutzte, sogar noch um rund 6000 gestiegen 2019 arbeiteten außer in Werkstätten auch noch 13550 behinderte Menschen in sog.

Inklusionsbetrieben. Diese Betriebe sind offizieller Teil des Allgemeinen Arbeitsmarkts. Das Besondere an ihnen ist, dass dort mindestens 30 % und höchstens 50% Beschäftigte mit Beeinträchtigung arbeiten. Beschäftigte in Werkstätten sind rechtlich keine Arbeitnehmer*innen die in Inklusionsbetrieben arbeitenden schon. Sie haben also ein Recht auf z.B. den Mindestlohn.

Die Autorin geht noch auf die Diskussion ein, ob Werkstätten mit der UN-BRK vereinbar sind und kommt zu dem Schluss, dass sie dies nicht tun das teile ich. Positiver fällt die Einschätzung ihre für Inklusionsbetriebe aus das seh ich etwas anders denn auch sie normalisieren nicht das behinderte und nichtbehinderte Menschen Kolleg*innen sind, sondern weisen immer noch auf das Besondere hin.

Im Kapitel „(Erwerbs-)Arbeit, Behinderung und Inklusion: ein ambivalentes Verhältnis“ geht die Autorin auf den Diskurs um die Vereinbarkeit von Werkstätten und Inklusion seit der Radivizierung der UM BRK 2009 ein. Eigentlich ist hier schon klar, Werkstätten sind mit der UN-BRK und somit mit Inklusion nicht vereinbar.

Im Abschnitt „(Erwerbs-) Arbeit als Praxiszusammenhang denken“ kommt die Autorin auf Karl Marx zu sprechen. Für diesen ist Arbeit der Schlüsselbegriff zur Analyse aller Gesellschaften (ich schließe mich dem an). Karl Marx geht davon aus, dass Lohnarbeit im Kapitalismus entfremdete Arbeit ist. In einem weiteren Abschnitt stellt sich die Autorin die Frage, ob Werkstätten totale Institutionen nach der Definition von Goffmanns sind. Sie kommt zu dem Schluss: ja, das seien sie. Das spannende daran ist, dass ihre folgende Argumentation der meinigen in meiner Facharbeit fast Wort wörtlich gleicht.

Ich schrieb damals, ohne Goffmann zu kennen, im Kapitel „Die Arbeitssituation für behinderte Menschen In Deutschland“ folgendes: „Die Art der Arbeit, welche Menschen in diesen Werkstätten häufig zu verrichten haben, ist monotone Bandarbeit. Auch wenn diese nicht ohne Anspruch für diejenigen Menschen, die sie ausführen, sein muss. Das Problem, das sich dabei jedoch stellt ist, dass die arbeitende Person durch die Monotonie der Tätigkeiten vom Gesamtprodukt abgespalten wird. Dieser Umstand trifft bei jeder Art von Fließbandarbeit zu, unabhängig von dem, der sie zu verrichten hat. Demnach ist sie kein spezifisches Merkmal der Arbeit in Werkstätten für behinderte Menschen. Dieses Phänomen der Entfremdung ist Teil jeglicher Fabrik- ja sogar Lohnarbeit im Kapitalismus, weil die Arbeiter*innen nicht an der Gesamtplanung beteiligt werden. Dies hatte schon Karl Marx analysiert.

Der Entfremdungsprozess wird in den Werkstätten für behinderte Menschen aber dadurch verstärkt, dass die vielen anderen, für das Gesamtprodukt notwendigen Arbeitsschritte, für die Mitarbeiter*innen der Werkstatt nicht miterlebt werden können, da sie an einem anderen Produktionsstandort stattfinden. Denn in den Werkstätten für behinderte Menschen arbeitet in der Regel eine ganze Gruppe am selben Produkt und das über mehrere Tage, z.B. an Armlehnen für bestimmte Autos einer Automarke. Ist dieser Auftrag abgeschlossen kommt ein neuer Auftrag, der mit dem vorherigen nichts zu tun hat“. Ich begründete 2016 so denn noch höheren Grad an Entfremdung von Arbeit in Behindertenwerkstatten als bei normaler Erwerbsarbeit im Kapitalismus. Und das somit das Potential, welches Arbeit für die Entwicklung des Menschen hat durch Lohnarbeit im Kapitalismus im Allgemeinen und in Form von Arbeit in Behindertenwerkstätten im Besonderen noch weniger entfaltet werden kann. Nach meiner Einschätzung kann somit keine Subjektwerdung durch Werkstattarbeit stattfinden. Die Möglichkeiten dazu sind, nach meinem Dafürhalten, in Inklusionsbetrieben höher, aber auch hier wird sie durch die Verbesonderung gehemmt. Meiner Einschätzung nach kann allerdings eine vollständige Subjektwerdung auch durch herkömmliche kapitalistische Lohnarbeit nie erreicht werden. Ich empfehle das Buch  Arbeit und Behinderung aus voller Überzeugung.

Arbeit und Behinderung

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