Elizabeth Horlemann: Bitte nicht jetzt! Eine Rezension

Am 23.02.2024 ist das Buch Bitte nicht jetzt! „Das Leben mit Ableismus, Rassismus und Trauer“ von Elizabeth Horlemann bei BoD – Books on Demand erschienen. „Bitte nicht jetzt! Das Leben mit Ableismus, Rassismus und Trauer“ ist ein Buch, das persönliche Erfahrungen mit strukturellen Problemen von Ableismus und Rassismus verbindet und ihre intersektionale Verschränkung offen legt.

Aber auch wie Ableismus und Rassismus Trauer nach einem schweren Verlust erschweren, ist Thema dieses Buches. Das Buch lädt die Leser*innen ein, das Leben der Autorin Elizabeth Horlemann zu und Momente der Verwundbarkeit und Stärke zu teilen. Das Buch „Bitte nicht jetzt” beginnt damit, dass Elizabeth Horlemann bekennt, dass sie der Tod ihres Mannes mehr schmerzte als sie erwartet hatte, aber auch dass sie eine innere Stärke bei sich bemerkt hat, die sie von sich nicht kannte. Elizabeth Horlemann sagt über sich, ich bin eine afrikanische Schwarze Frau, eine behinderte Frau, und konkret eine Rollstuhlfahrern und sie ist eine Witwe eine Überlebende des Unvorstellbaren.

Auf den folgenden Seiten sprechen mehrere Aktivist*innen Elisabeth Horlemann ihr Lob aus. Nach dem Inhaltsverzeichnis folgt dann ein Vorwort in diesem Vorwort spricht sich Elisabeth Horlemann dafür aus Intersektional zu denken denn nur wenn Rassismus und Ableismus gemeinsam gedacht werden können die Perspektiven und Erfahrungen von BIPOC Personen mit Behinderung richtig erfasst werden.

Danach fragt sie die Leser*innen, ob sie Situationen kennen, wo sie so im Stress waren, dass sie sich nicht mit erlebtem Rassismus oder Ableismus auseinandersetzen konnten und wie schmerzhaft das ist. Für Elizabeth Horlemann war die Zeit der Erkrankung ihres Mannes so eine Zeit, in der sie nur Kapazitäten für seinen Genesungs- bzw Krankheitszustand hatte.
Elizabeth Horlemann geht kurz darauf ein, dass sie eigentlich nie ein Buch schreiben wollte und von ihrem Mann dazu überredet wurde, dies zu tun. (was für ein Glück) Sie macht auch deutlich dass ihre Motivation das Buch zu schreiben hauptsächlich mit ihren Diskriminierungerfahrungen aufgrund von Rassismus zusammenhängt sie sagt aber auch das es nicht alle Bedürfnisse von alle BIPOCs abbildet.

Elisabeth Horlemann kritisiert deutlich das ein Land wie Deutschland das sich seiner kolonialen Vergangenheit und dem herrschenden Rassismus nicht stellt nicht in der Lage ist seine BIPOC Bevölkerung mit Behinderung gut zu versorgen. Elizabeth Horlemann kritisiert, dass Inklusionskampagnen vor allem weiße behinderte Menschen adressieren und sie weist auf Rassismus unter behinderten Menschen hin und auf Rassismus im Gesundheitssystem sie bedankt sich auf die Unterstützung nach dem Tod ihres Mannes aber kritisiert auch übergriffige/ableistisches Verhalten was Menschen an den Tag legten und damit ihre Selbstbestimmung in Frage stellten. Elisabeth Horlemann erwähnt auch dass sie sich und ihrem Mann als Binationalem Paar ein Kapitel widmet.

In der folgenden Einleitung stellt Elisabeth Horlemann als erstes die rhetorische Frage: Gibt es strukturellen Rassismus in Deutschland? Elizabeth beschreibt das Leben einer behinderten Schwarzen, afrikanischen Frau in Deutschland als einen ständigen Kampf (sehr nachvollziehbar, dass sie dies tut). Sie beschreibt, dass sich viele behinderte BIPOC von der nicht behinderten BIPOC Gemeinschaft zurückziehen, weil diese kein Verständnis für sie hat. sie beschreibt aber auch das ihre Freund*innen alle nicht behinderte BIPOC seien und dass sie keine Netzwerke mit behinderten Menschen habe.

Elizabeth spricht über ihre Rassismuserfahrungen es folgen zwei sehr krasse Anekdoten, die den Rassismus und Ableismus klar machen, der ihr in den 90ern entgegengebracht wurde. Einmal auf dem Weg zum Arbeitsamt und auf dem Amt und einmal beim Gynäkologen. (im Westen Deutschlands) Ein weiterer Abschnitt handelt von ihrem Sohn und dessen Rassismuserfahrungen in Kindergarten und Schule, und mensch muss es so deutlich sagen, er musste aufgrund von Rassismus auf die Sonderschule wechseln. Warum sie die Sonderschule als Schule für Kinder mit besonderen Bedürfnissen bezeichnet, verstehe ich nicht. Diese Schulen, sondern aus!

Im nächsten Abschnitt geht es um nach ihrer Ansicht zwei positive politische Ereignisse, in Bezug auf die EU kann ich die Euphorie nicht nachvollziehen. In Bezug auf das AGG schon. Die Darstellung der Autorin zur EU ist leider grundlegend falsch, sie schreibt, dass Deutschland 2000 der EU beigetreten ist, das ist falsch was stimmt ist dass die Europäische integration um 2000 herum einen Grundlegenden Schub erlebte dass das in Deutschland grundlegende Verbesserungen für Migrant*innen und Schwarze Menschen gebracht haben soll, kann ich aufgrund heutiger Debatten rund um die EU nicht nachvollziehen. 2003 hat Deutschland das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz beschlossen was auch vor rassistischer und ableistischer Diskriminierung schützen sollte.

Danach geht Elisabeth kurz auf die Entstehung von Rassismus das Ende der Sklaverei und was weiße Menschen alles anstellten um die “Rassenhierarchie” aufrecht zu erhalten ein. In den ersten drei Kapiteln beschreibt Elizabeth Horlemann die Zeit zwischen der Krebsdiagnose ihres Mannes und dessen Tod aus ihrer Perspektive als Schwarze, behinderte Angehörige sie fokussiert sich hierbei auf den Umgang mit ihr und ihrem Mann durch das Krankenhauspersonal und beschreibt welchen Ableismus sie als behinderte Frau erlebt hat und wie sich das mit Rassismus den sie als Schwarze Frau erlebt hat verschränkt was sie durch das Personal im Krankenhaus erleben musste macht fassungslos und wütend. Das Ganze wird für sie und ihren Mann noch belastender durch die Covid Pandemie, die zu diesem Zeitpunkt gerade ausgebrochen war. Elizabeth Horlemann beschreibt ihre Trauer und den Umgang damit für die sie aber fast keine Zeit hat denn sie muss ihr alleine Leben als behinderte Person organisieren und sie muss sich mit Rassismus auseinandersetzen den ihr Mann die letzten 30 Jahre als echter Antirassist wie sie selbst schreibt abgefangen hatte.

Elizabeth Horlemann beschreibt auch die Trauertradition der Volksgruppe in Kenia aus der sie kommt und sie beschreibt wie sie diese Traditionen nicht leben konnte weil der rassistische deutsche Staat ihrer Mutter ein Visum zur Beerdigung ihres Schwiegersohnes verweigerte dieser Teil hat mich sehr wütend auf diesen Drecksstaat gemacht.

Im Vierten Kapitel mit dem Titel Ableismus Bi nationale Ehe beschreibt Elisabeth Horlemann ihre Herkunft aus der Volksgruppe der Luos wobei sie auf die politische Marginalisierung eingeht der diese Volksgruppe ausgesetzt ist, dabei geht sie auf Tribalismus ein einen Ableger des Rassismus der auf dem afrikanischen Kontinent die Volksgruppen spaltet. Es wird sehr gut erklärt wie der Kolonialismus diese Form der Diskriminierung erfunden und eingeführt hat und als Instrument einer Teile und Herdsche Politik genutzt hat, wobei auch die Volksgruppen teils erst durch den Kolonialismus geschaffen wurden. Elizabeth geht kurz darauf ein was für ein Albtraum (schreibt sie) es war als behinderter Mensch in den 70ern bis 90ern in Kenia zu leben und sie beschreibt sich noch als privilegiert. Im folgenden Abschnitt beschreibt Elisabeth Horlemann sehr emotional welche Rolle ihr Mann auch als Schutz gegen Rassismus und Ableismus für sie gespielt hat. (Er war weiß).

Elizabeth Horlemann geht darauf ein, welche Auswirkungen Ableismus auf die Sexualität behinderter Menschen und somit auf sie und ihren Mann als Paar hatte, sie beschreibt dabei die Rolle der Kirche sehr treffend, sehr negativ. Danach beschreibt sie ihre Erfahrungen auf Reisen.

Was ich eine geniale Idee finde ist ihre Methode des roten Buchs, das sie führt und in das sie Menschen, die sie unangemessen belehren, deren Belehrungen eintragen lässt. Erschreckend ist wie viele Menschen nicht einmal dann merkten wie unangemessen sie sich verhielten. sondern ihre Belehrungen bereitwillig schriftlich festhalten. Sehr Wichtig ist auch der Abschnitt zum Superhelfer Syndrom in dem sie eben dass sehr deutlich kritisiert, damit sind Helfer*innen gemeint, die ungefragt und ohne zu fragen helfen.
In Kapitel fünf und sechs geht es um Trauer in einer rassistischen und ableistischen Gesellschaft. Elisabeth Horlemann beschreibt unter anderem, wie die Friedhofsverwaltung ihren Wunsch nach einer barrierefreien, für sie erreichbaren Grabstätte ihres Mannes ignoriert. Auch in Kapitel sieben geht es um Trauer und Ableismus, um Rassismus und Ableismus und um die Geschichtliche Entstehung von Ableismus und Rassismus.

Etwas Kontext los zum Rest des Buches aber trotzdem wichtig, beleuchtet Elizabeth Horlemann die Diskussion ob Rollen die Behinderung verkörpern mit nicht behinderten Schauspieler*innen besetzt werden sollten oder besser nicht.
Nach dem Tod ihres Mannes nimmt Elisabeth vermehrt Kontakt zu anderen Schwarzen Aktivist*innen auf und merkt, dass auch dort Veranstaltungen oft nicht barrierefrei sind. Die Erfahrungen, die sie beschreibt, veranlassen sie dann auch dazu das Netzwerk EquiAble Netzwerk für BIPoc Menschen mit Behinderung zu gründen.

Es folgen noch weitere Kapitel, die manche schon angesprochene Themen vertiefen, aber mehr wird hier jetzt nicht verraten, dafür müsst ihr dieses Buch kaufen, was ihr auch tun solltet. Was dem Buch zu wünschen wäre ist ein Verlag und dadurch ein Lektorat das aber nichts am Inhalt ändern sollte denn der ist gut. Das Buch ist eine Empfehlung.

https://www.instagram.com/equiablenetzwerk/

2 Gedanken zu „Elizabeth Horlemann: Bitte nicht jetzt! Eine Rezension“

  1. Herzlichen Dank, Daniel.

    Ich bin tief berührt von deiner ehrlichen, durchdachten und äußerst wertschätzenden Rezension zu meinem Buch „Bitte nicht jetzt! Das Leben mit Ableismus, Rassismus und Trauer“.

    Deine Worte zeigen, dass du mein Buch nicht nur gelesen, sondern auch auf einer sehr persönlichen und politischen Ebene verstanden hast. Besonders bewegt mich, wie du Schmerz, Strukturkritik und Empowerment gleichermaßen sichtbar machst. Das ist selten und kraftvoll.

    Danke, dass du meine Arbeit öffentlich unterstützt und dich immer wieder dafür einsetzt, dass intersektionale Stimmen insbesondere von BIPOC mit Behinderung gesehen, gehört und ernst genommen werden.

    Dein Feedback bestärkt mich, weiterzuschreiben, weiterzuerzählen und weiter Räume zu schaffen wie EquiAble in denen unsere Geschichten nicht nur Platz finden, sondern im Zentrum stehen.

    Asante sana. 🙏🏽 Elizabeth Horlemann

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