Schon wieder ableistische Gewalttaten im Oberlinhaus

Wenige Tage nach dem vierten Jahrestag des vierfach Mordes im Oberlinhaus  an Lucille H. 1978-2021, Martina W. 1990-2021, Christian S. 1985-2021, Andreas K. 1964-2021  die von einer Pflegerin ermordet wurden, werden die nächsten Gewaltvorwürfe am Oberlinhaus in Potsdam vor Gericht verhandelt.

Eine Mitarbeiterin soll in insgesamt acht Fällen gewalttätig  gegenüber schwerstbehinderten Bewohner*innen  einer Wohnstätte für taub blinde Erwachsene, gewalttätig  geworden sein und ihnen, diverse Körperverletzungen wie Schläge und Kopfüberstrecken zugefügt haben. 

Am 27. Mai beginnt der Prozess am Amtsgericht Potsdam. Die Anklage  lautet auf Misshandlung von Schutzbefohlenen ihr Ziel soll gewesen sein die Bewohner*innen zu bestimmten Verhaltensweisen anzuhalten, sagte Amtsgerichtssprecher Oliver Kramm, als Beispiel nennt er einen Fall, bei dem die Angeklagte einen stummen Bewohner aus dem Autismus-Spektrum “angeschrien, beleidigt, geschubst und mehrmals am Arm geschlagen haben soll, nachdem dieser vor der gemeinsamen Mahlzeit schon etwas von dem Essen nehmen wollte.”

Die acht Fälle, die der Angeklagten zur Last gelegt werden, beziehen sich auf den 13. Oktober 2023 sowie weitere nicht rechtsverjährte Zeitpunkte, arbeitsrechtliche Schritte gegen die seit 2014 in der Wohngruppe tätige Mitarbeiterin wurden eingeleitet sie ist seit 2024 suspendiert . 

Am 27. Mai werden vier Zeuginnen und Zeugen vor dem Schöffengericht gehört, unter anderem eine Kollegin der Angeklagten, ein Polizeibeamter sowie eine Mitarbeiterin des Landesamtes für Soziales und Versorgung. Das unter den Zeug*innen kein betroffener behinderter Mensch ist sagt alles..

 Es ist ein Hauptverhandlungstag angesetzt, bei dem gegebenenfalls bereits das Urteil fällt. Behindertenaktivist*innen befürchten, dass die gesellschaftlich vorhandenen Strukturen, die zur Gewalt an behinderten Menschen führen auch  darin bestehen, dass so viele behinderte Menschen in Heimen leben müssen, nicht zur Sprache kommen. 

https://inklusion-statt-integration.de/vierfach-mord-im-oberlinhaus-einer-einrichtung-fuer-behinderte-menschen/ 

https://www.br.de/mediathek/podcast/die-neue-norm/gewalt-warum-behinderte-menschen-besonders-gefaehrdet-sind/2096021

Es folgt der Aufruf  behinderter Aktivist*innen  die den Prozess am 27.5 kritisch begleiten.

Heute, am 27.5. um 9:00 Uhr findet am Amtsgericht Potsdam der Prozess gegen eine Mitarbeiterin des Oberlinhauses statt. Der 56-jährigen Angeklagten aus Potsdam wird „Misshandlung von Schutzbefohlenen” in acht Fällen vorgeworfen. Sie arbeitete im Eckard-Beyer-Haus des Oberlinhauses, wo sie taub blinde Erwachsene betreut werden. Sie soll dort mehreren Bewohner*innen Körperverletzungen wie Schläge und Kopfüberstrecken zugeführt haben. Ihr wird vorgeworfen, aus „gefühlloser, fremdes Leid missachtender Gesinnung“gehandelt zu haben (Quelle: Tagesspiegel vom 05.05.2025). Es ist wichtig, dass diese Taten nicht als Einzelfall abgetan werden!
Sie sind kein Einzelfall! Das Oberlinhaus ist bereits 2021 als Tatort bekannt geworden. Am 28. April 2021 hatte eine langjährige Pflegekraft des Oberlinhauses vier behinderte Menschen brutal ermordet. Lucille H., Andreas K., Martina W. und Christian S. wohnten in einer Wohngruppe des Thusnelda-von-Saldern-Haus und wurden ihre Opfer. Eine weitere Person wurde schwer verletzt. Damals wurde die Tat als Einzelfall abgetan, zur Tat aus Überforderung verklärt. Dabei werden
die Strukturen, die solche Morde möglich machen, ignoriert! Man tötet nicht nur aus Überlastung, sonst hätten die vielen Menschen, die in schlechten Arbeitsverhältnissen ausgebeutet werden, schon lange ihre Chefs umgebracht. Man tötet, weil man das Leben der anderen Person als unwert empfindet! Man tötet, weil man kann! Die Täterin, die heute vor Gericht steht, wendete beim Versuch, Bewohner*innen zu reglementieren, Gewalt an. Das geschah in Alltagssituationen und bei Kleinigkeiten, etwa als ein Bewohner früher als andere etwas vom Essen nehmen wollte. Dabei soll ihr bewusst gewesen sein, dass die Bewohner*innen ihre Anweisungen nicht befolgen konnten. Sie hat ihre Macht missbraucht und scheint behinderte Menschen nicht als Menschen zu respektieren, die ein
Recht darauf haben, gewaltfrei zu leben! Das ist Ableismus – das Leben von behinderten Menschen als weniger wert als das eigene zu betrachten! Ableismus als Begriff beschreibt ein diskriminierendes Denksystem, das strukturell in unserer Gesellschaft verankert ist. Es ermöglicht die alltägliche Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen und hält diese aufrecht. Ableistisches Denken wertet Menschen ab, die nicht einer vermeintlichen geistigen oder körperlichen Norm entsprechen. Aufgrund von diesem diskriminierenden Denksystem werden Menschen mit Behinderung aus der Gesellschaft ausgeschlossen, als Problem betrachtet und nicht ernst genommen. Wie sich im Oberlinhaus nun wiederholt, resultiert diese Ausgrenzung und Abwertung in Gewalt. Das Rechercheprojekt „Ableismus tötet“, was vom Verein AbilityWatch ein Jahr nach den Oberlinhaus-Morden gestartet wurde, dokumentiert 43 Gewalttaten mit 218 Betroffenen in 40 Einrichtungen in Deutschland zwischen 2010 und 2023. Ableistische Gewalt hat viele Formen und Facetten, zum Beispiel auch Polizeigewalt, die sich oft gegen Menschen mit psychischen
Erkrankungen richtet, indem sie pauschal als gefährlich eingestuft werden. Wir fordern eine Anerkennung der Gewalttaten im Oberlinhaus als strukturelle Gewalt! Wir fordern eine Auseinandersetzung mit Ableismus in unserer Gesellschaft! In allen Köpfen muss ankommen, dass wir behinderten Menschen zuhören müssen. Inklusion ist kein einmaliges Ereignis, wie der Einkauf in einer Behindertenwerkstatt! Eine Rampe reicht hier nicht aus! Es braucht eine ehrliche und nachhaltige Auseinandersetzung mit dem Ableismus in unseren Köpfen – denn Ableismus tötet! Unterstützt uns im Kampf, Gewalt gegen Menschen mit Behinderung sichtbar zu machen! Denn sonst sind behinderte Menschen in Institutionen in unserer Gesellschaft nicht sicher!

Am 27.5.2025  startete um 10:15 mit einer  Stunde Verspätung der Prozess gegen eine Mitarbeiterin des Oberlinhaus. Im Publikum waren mehrere Behindertenaktivist*innen als kritische Prozessbeobachter*innen  und auch ein paar Medienvertreter*innen. Der Staatsanwalt nutzte bei Einbringung der Anklageschrift mehrmals die ableistische Phrase … leiden an..  Die Angeklagte relativierte wie nicht anders zu erwarten die Taten Eine 22-Jährige, die am Oberlinhaus eine Pflegeausbildung absolviert, schildert als Zeugin ihre Beobachtungen. »Ich war geschockt«, sagt sie über einen der angeklagten  Fälle  Die Schreie der Angeklagten. nennt sie »ohrenbetäubend«. Auf Nachfrage des Richters, ob es sich bei den Handlungen der Angeklagten. um ein »Impulsgeben« gehandelt haben könne, sagt sie: »Das war Schlagen.« Einen Menschen mit Autismus hat die Angeklagte Laut der sehr glaubwürdigen Zeugin. »alte Drecksau« genannt die Zeugin schilderte ausführlich das Geschehen und die Taten.

»Wir sind da, um den Menschen zu assistieren und sie zu begleiten – und nicht Teil einer Erziehungseinrichtung mit Gewalt«, sagt die Auszubildende. Auf die Frage, warum sie mit der Meldung der Fälle ein paar Monate gewartet habe und ob sie als Berufsanfängerin gewisse Situationen anders bewerte, erwidert sie: »Ich war in Schock. Heute würde ich es sofort melden.“ Wenn alle Mitarbeitenden in Einrichtungen  der Behindertenhilfe  so reflektiert wären wie diese Auszubildende  hätte ich wirklich Hoffnung das wir die Totalen Institutionen überwinden können….

Die Anklage wurde nach einer kurzer Unterbrechung von grob – schwerer Misshandlung nach unten gestuft auf reine Körperverletzung und Nötigung. Der Staatsanwalt forderte 10 Monate auf Bewährung dem folgte das Gericht die Täterin muss des weiteren 2000 Euro an den Brandenburger Allgemeinen Behindertenverband. Erschreckend ist dass das Gericht die ableistische Struktur der Taten nicht würdigte sondern als Taten einer Einzeltäterin wertete.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert