Mit dem 2023 im Wiener Leykam Verlag erschienen Buch Radikale Inklusion ist Hannah Wahl eine gute Streitschrift für Inklusion gelungen. Im Vorwort mit dem Titel Warum es diese Streitschrift braucht stellt Hannah Wahl an vier Beispielen dar welchen untergeordneten Stellenwert behinderte Menschen in der Gesellschaft haben die Beispiele die sie nennt sind der Umgang mit behinderten Menschen in der Corona-Pandemie, der öffentliche Umgang nach dem Mord an 4 behinderten Menschen in Potsdam am 28. April 2021 der mangelnde Schutz behinderter Menschen bei der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 und nicht zuletzt die Teuerungswelle der letzten Jahre die behinderte Menschen besonders hart trifft.
Hannah Wahl weist darauf hin, dass diejenigen, die fordern, der Prozess der Inklusion müsse langsamer verlaufen, nichts ändern wollen und kein Interesse an Inklusion haben. Hannah Wahl deutet schon an dieser Stelle im Buch an, dass Inklusion im heutigen kapitalistischen System nicht vollständig umgesetzt werden kann. Im Kapitel “Ein Schritt nach vorne, zwei Schritte zurück: “Inklusion” heute” schreibt sie “Inklusion”. Das ist das Modewort unserer Zeit: Politiker*innen treffen sich zu “Inklusions-Dialogen“ ehemalige “Behinderten” Gesetze werden öffentlichkeitswirksam umbenannt und schriftliche Bekenntnisse von Institutionen, die als fortschrittlich, fair und sozial gesehen werden wollen, tragen nun das Schlagwort “Inklusion”.Langsam ist überall angekommen: Ohne Inklusion geht’s nicht mehr “ Sie weist darauf hin, dass sowohl Österreich als auch Deutschland die UN BRK unterschrieben und ratifiziert aber noch nicht vollständig in nationales Recht umgesetzt haben sie schreibt fast nirgends wo Inklusion draufsteht ist Inklusion drin.
Hannah Wahl legt sehr ausführlich dar welche Versäumnisse es in Österreich und Deutschland beim Abbau von Sonderinstitutionen sprich Werkstätten Sonderschulen und Heimen gibt sie verweist dabei immer wieder auf die UN BRK und den zuständigen Kontrollausschuss der UN die beide Staaten dafür auch immer wieder rügt. Hannah Wahl weist auch auf die Gewalt hin, die in und von solchen Einrichtungen ausgeht, sie weist auch auf die Versäumnisse hin, die in Bezug auf Persönliche Assistenz herrschen, in Österreich noch krasser als in Deutschland. Ein weiterer Kritikpunkt sind die mangelnden Möglichkeiten gerade für Menschen mit Lernbeeinträchtigungen das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und eigene Familie oder Partnerschaft zu leben teils wird es ihnen aktiv verwehrt teils wird es durch die Wohnsituation die intime Beziehungen nicht erlauben teils durch die Verweigerung von Verhüttung oder dem anderen Extrem der Zwangssterilisation verhindert, und wenn doch mal ein Kind entsteht greifen viel zu oft die Jugendämter vorsorglich ein und drohen mit Entzug des Sorgerechts anstatt Elternassistenz oder Begleitete Elternschaft anzubieten.
Hannah Wahl bezieht sich neben der UNO immer auch auf Behindertenaktivist*innen unter anderem auf den Kommunisten Erwin Riess, der leider dieses Jahr verstorben ist. Hannah Wahl stellt auch verschiedene Modelle von Behinderung dar das Medizinische Modell das Soziale Modell das Menschenrechtliche Modell und das Kulturelle Modell. Hannah Wahl schreibt was laut UN-BRK die Definition für Menschen mit Behinderungen ist.
Menschen mit Behinderungen sind “Menschen die langfristige körperliche, psychische, intellektuelle oder Sinnes Beeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen und wirksamen Teilhabe, gleichberechtigt mit anderen an der Gesellschaft hindern können.”
Dann führt sie aus was mit Beeinträchtigungen gemeint ist sie schreibt Neben dem Begriff “Behinderung“ beziehungsweise “disability” der sehr breit gefasst wird, benutzt die UN BRK “Beeinträchtigung “, also impairment um möglichst neutral beschreiben dass einer Person eine bestimmte Funktion fehlt oder diese begrenzt ist” Hannah Wahl schreibt weiter Behinderung wird in der UN – BRK nicht als negative Eigenschaft beurteilt, die einer Person anhaftet und ärztlicher Behandlung bedarf. Hannah Wahl hat Recht, dass Behinderung nicht negativ beurteilt wird.
Gut finde ich auch das Hannah Wahl Wolfgang Jantzen Mitbegründer der materialistischen Behindertenpädagogik zitiert der in Anlehnung an Karl Marx “Behinderung als Ausdruck des ensembles gesellschaftlicher Verhältnisse, der über Teilhabe oder Nicht-Teilhabe entscheidet” Jantzen macht dadurch deutlich Das Behinderung ein Phänomen ist was es nur unter bestimmten historisch sozio-ökonomischen Bedingungen gibt. Im Kapitalismus ist die Arbeitskraft behinderter Menschen Arbeitskraft minderer Güte.
Das Hannah Wahl ihre Forderung nach Inklusion mit einer deutlichen Kapitalismus Kritik verbindet ist sehr lobenswert und hebt sich wohltuend von der sonst oft einzigen Forderungen an nichtbehinderte Menschen ab mal bitte ihre Privilegien zu checken. Leider bleibt sie in der gesellschaftlichen Vision, in der sie vollumfängliche Inklusion für möglich hält, sehr vage. Das Buch Radikale Inklusion ist sehr lesenswert, einzige wirkliche Kritik habe ich am Titel, denn das was Hannah Wahl fordert ist einfach Inklusion das was heute unter Inklusion firmiert ist meist nicht mal Integration. Ich empfehle Radikale Inklusion von Hannah Wahl aus voller Überzeugung