Die Coronapandemie und das Intensivpflege und Rehabilitationsstärkungsgesetz

Die Coronapandemie und das Intensivpflege und Rehabilitationsstärkungsgesetz stehen in einem gewissen Zusammenhang  hierbei spielt die  sogenannte Triage eine gewisse Rolle. Mit diesem Begriff wird die Sortierung von Patienten*innen in Gruppen von vor- bzw. nachrangig zu behandelnde, Personen bezeichnet diese Sortierung wird vorgenommen wenn die Zahl der zu behandelnden Personen die verfügbaren Ressourcen von z.B. Beatmungsgeräten im Rahmen z.B. einer Pandemie  weit übersteigt wie es in Italien bei der jetzigen Coronapandemie schon der Fall ist  und wie es auch bei einer weiteren Ausbreitung der Coronapandemie für Deutschland nicht ausgeschlossen werden kann.

Die italienische Gesellschaft für Anästhesie, Analgesie, Reanimations – und Intensivmedizin (SIAARTI) hat den Intensivmediziner*innen, die derzeit auf Grund einer sehr hohen Zahl an Coronapandemie  Patient*innen  nicht mehr in der Lage sind, für alle Patient*innen  die es bräuchten Beatmungsgeräte  bereit zu stellen kürzlich Empfehlungen an die Hand gegeben. Intention der SIAARTI war es, auf diesem Wege die Ärzt*innen und Pflegekräften aus der ethischen Verantwortung zu entlassen, die Auswahlentscheidungen persönlich – rechtlich verantworten zu müssen. Dieses Anliegen ist nachvollziehbar denn es ist den erschöpften Praktiker*innen nicht zuzumuten, auch noch über die Zuteilung von Behandlungskapazitäten entscheiden zu müssen. Denn sie haben das marode und kaputt gesparte Gesundheitssystem, in dem nur Profit und nicht der Mensch zählt, nicht zu verantworten. Die Verantwortung liegt bei denjenigen, die dem kapitalistischen Privatisierungswahn das Wort geredet haben. Die Verantwortung trägt im Falle von Italien im gehörigen Maße die EU. Das Problem ist nun aber die zentrale Passage dieser Empfehlung diese lautet 

„Ressourcen, bei denen erhebliche Knappheit eintreten könne, seien zunächst

1. für denjenigen zu reservieren, der eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit habe.

und zweitens 2. für denjenigen, der mehr Jahre geretteten Lebens erreichen könne.

Und 3. für denjenigen durch dessen Behandlung eine Maximierung des Nutzens für die größte Anzahl anderer Personen entsteht.“

Diese 3. Kriterien aus der italienischen Empfehlung missachten die Maxime einer klassische „Triage“, diese lautet folgendermaßen: „die knappen Ressourcen sind so einzusetzen, dass möglichst viele Betroffene die Katastrophe überleben“

Dadurch ergibt sich eine Einteilung in vier Gruppen:

  • Vorrangig behandelt werden schwer betroffene Patienten, die ohne die infrage stehende Behandlung sicher oder sehr wahrscheinlich nicht überleben, bei Behandlung jedoch eine gute Prognose haben.
  • In zweiter Reihe werden Patienten behandelt, deren Chance, die Erkrankung zu überleben, auch ohne Behandlung nicht unerheblich ist, aber bei Behandlung noch deutlich steigen würde.
  • Nicht behandelt werden leicht betroffene Patienten, die auch ohne Behandlung eine gute Prognose haben.
  • Bis zur Entspannung der Lage ebenfalls nicht (bzw. lediglich palliativ) behandelt werden diejenigen schwer betroffenen Patienten, die auch bei Behandlung eine schlechte Prognose haben.

Ersetzt man diese Gewichtung jetzt durch die Empfehlungen der italienischen Kommission entsteht folgendes Bild diejenigen die auch ohne Behandlung eine gute Genesungsprognose haben bekommen die beste Behandlung was für ein Widerspruch

Wendet man die Regel an dass möglichst viele gerettete Lebensjahre erzielt werden sollen, wie es die italienische Kommission vorschlägt, wäre zunächst innerhalb der genannten Gruppen nach Lebensalter zu differenzieren so dass bei großen Altersdifferenzen müssten ältere Personen die ohne Behandlung sehr wahrscheinlich sterben trotzdem zugunsten jüngerer Personen  die auch ohne Behandlung schon eine bessere Prognose hätten auf eine Behandlung verzichten. Dies ist Altersdiskriminierung!

In der dritten Forderung der Empfehlungen der italienischen Kommission erkennt man unschwer die Maxime des Utilitarismus wieder. Diese Philosophie ist behinderten Menschen noch durch die Äußerungen in Peter Singers in seinem Buch „praktische Ethik“ ein schauderhafter Begriff

Die klassischen Anwendung der Triage ist auch nicht unproblematisch denn man darf man die 4. Gruppe nicht übersehen! Bei diesen Patient*innen wäre die fragliche Behandlung indiziert sie würde, diesen  aber nur eine geringe Überlebenschance bieten, diesem Personenkreis wird auch bei der klassischen Anwendung der Triage das Weiterleben verweigert. Das darf, meiner Ansicht nach, nicht sein! Meiner Ansicht nach, sind sie der Gruppe der  begünstigten Patienten zuzuordnen somit ist alles zu tun, diese Menschen zu retten, es sei denn es liegt eine eindeutige Willensbekundung vor, welche die Aussagt enthält, dass in so einem Fall die Geräte abzustellen sind.

Ich stelle die klassische Triage somit auch zur Disposition. Sie passt , nicht zu einem humanen solidarischen Gesundheitswesen  bei einem solchen darf die gesundheitspolitisches Verteilungspraxis, nicht in Nutzen oder Werten gemessen werden, sondern muss als ein Recht jedem Menschen zugebilligt werden.

Was Punkt 3. der italienischen Empfehlungen, siehe oben, für die deutsche Debatte bedeutet, in der gerade, Stand 27.3.2020, noch davon ausgegangen wird, dass in der jetzigen Coronapandemie keine italienischen Verhältnisse eintreten werden, wird deutlich, wenn man folgendes mit berücksichtigt:

Seit einiger Zeit wird in Deutschland mit Hilfe der Vorlage des sog Intensiv und Rehabilitationsstärkungsgesetzes versucht, eine Neuordnung der Regeln zur häuslichen intensiv Pflege durchzudrücken. Der damit einhergehende Bruch der UN Behindertenrechtskonvention wird dabei in Kauf genommen. In den Überlegungen zu dieser Gesetzesvorlage ist beinhaltet, dass Menschen, die auf dauerhafte Beatmung angewiesen sind, nur noch in Heimen oder sogenannten Beatmungs WGs leben sollen. Wird diese Überlegung zum Gesetz, dann ist es diesem Personenkreis nicht mehr möglich, mit Persönlicher Assistenz daheim, in den eigenen vier Wänden beatmet zu werden gegen dieses Gesetz macht die Behindertenbewegung seit Monaten mobil.                                                   

Im Schatten dessen, dass momentan alles auf die Coronapandemie fokussiert ist, wollte Gesundheitsminister Jens Spahn, CDU dieses Gesetz am 27.3 .2020 im Eilverfahren durch den Bundesrat peitschen. Zum großen Glück konnte dies durch Proteste vorläufig verhindert werden.

Sollte dieses Gesetz aber doch noch verabschiedet werden, dann sind alle dauerhaft zu beatmenden Menschen bei der nächsten Pandemie an registrierten Orten konzentriert und wenn dann wie am 27.3.2020 von Herrn Laschet in NRW angekündigt Rehazentren zu Krankenhäusern erklärt werden, um Bettenkapazitäten zu haben (grundsätzlich eine gute Idee ) und es tritt dann Regel 3 der italienischen Empfehlungen in Kraft, dann haben wir ganz schnell eine Nützlichkeitsdebatte die an eugenische Traditionen anschließt, welche wir hofften überwunden zu haben.

Das dies in Deutschland trotz, oder gerade wegen seiner Geschichte, heute wieder denkbar ist, wird an den beängstigenden und menschen verachtenden Debatten dieser Tage deutlich.

Die darüber geführt wird, ob es nicht sinnvoll wäre pauschal Quarantäne über alle Risikogruppen zu verhängen. Für mich ist es blanker Zynismus, wenn hier behauptet wird, es sei zum Schutz der am stärksten gefährdeten Personengruppe. Denn damit Hand in Hand gehen ja die Überlegungen, die Beschränkungen für den Jungen und den „gesunden“ Teil der Bevölkerung schneller wieder aufheben zu können. Der eigentliche Grund für diese Überlegungen ist es den Schaden für die kapitalistischen Monopole so gering wie möglich zu halten dafür nimmt man die Ausgrenzung eines Teils der Bevölkerung in kauf.

Mit diesen Debatten erfüllen alle, die sich daran beteiligen, die kühnsten Träume der Rechtspopulisten und Faschisten und bereiten ihnen weiter den Boden. Lasst uns die Bekämpfung der Corona-Pandemie nutzen den Widerstand gegen das Intensivpflege und Rehabilitationsstärkungsgesetz zu stärken

Lasst uns endlich obdachlose Menschen  jetzt von der Straße holen und sie in Hotels unterbringen. Lasst uns die Lager für geflüchtete Menschen endlich auflösen und sie ebenfalls in Hotels oder Wohnungen unterbringen. Evakuieren wir endlich die besonders gefährdeten Menschen aus den Lager auf Lesbos schaffen Dublin 2 und Frontex ab. Machen wir die Grenzen endlich auf nicht nur für Waren sondern für Menschen. Für ein solidarisches Europa gegen  gegen die Festung EU. Gesundheit ist keine Ware!  Für eine solidarische, ein inklusive, eine sozialistische Gesellschaft !!

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1 Gedanke zu “Die Coronapandemie und das Intensivpflege und Rehabilitationsstärkungsgesetz”

  1. Das ist ein sehr interessanter Artikel zur Intensivpflege während der Pandemie. Ich habe mir schon einige Beiträge dazu durchgelesen. Vielen Dank, ich weiß jetzt genug zum Thema.

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