Im September 2024 erschien das Buch “Wer nun weiß, Gutes zu tun” von Heinz Becker und Roland Frickenhaus im Beltz Verlag. Der Untertitel lautet “Erinnerungen, Erfahrungen und Entwicklungen aus 40 Jahren Tätigkeit in der Behindertenhilfe und die Verantwortung des Einzelnen”. Das Buch hat 186 Seiten und kostet 26€.
Als erstes schreibt Heinz Becker in einer Einleitung mit dem Titel Alles hat seine. Geschichte darüber, dass alles eine Geschichte hat, auch die institutionelle Behindertenhilfe. Heinz Becker schreibt, dass sowohl die Geschichte der Träger der Behindertenhilfe als auch die Geschichte von behinderten Menschen selbst wie auch ihre Angehörigen gut dokumentiert sei, die einzige Lücke, die bestünde, wäre die historische Aufarbeitung der Situation der in der Behindertenhilfe arbeitenden Menschen.
Unter dem Titel “Der Weihnachtscousin” geht Roland Frickenhaus anekdotisch darauf ein, dass seine ersten Begegnungen mit einem behinderten Menschen, die mit seinem Cousin waren, Dieser war nur an Weihnachten Zuhause war und sonst in einem Heim für behinderte Menschen leben musste.Es folgen 12 große thematische Blöcke Heinz Becker ordnet die Entwicklungen in der Behindertenhilfe geschichtlich ein und Roland Frickenhaus reflektiert seine 40 Arbeitsjahre in der Behindertenhilfe.
Im 1. Teil mit dem Titel Rückblick: “Wo wir herkommen“. Die Geschichte der Anstalt”. Heinz Becker beschreibt kurz den Umgang mit behinderten Menschen seit dem 12. Jahrhundert. Er schreibt, schon damals gab es einige Spitäler und Hospitalgemeinschaften in denen behinderte Menschen untergebracht waren, sie hatten bis ins 17. Jahrhundert keinen Heilungsanspruchals als harmlos und ruhig kategorisierte behinderten Menschen kamen in die Spitäler, anders war es mit als gefährlich kategorisierten behinderten Menschen die wurde vor den Stadtmauern aus der Gesellschaft ausgegrenzt sie wurden in transportablen Käfigen gehalten oder waren in den Türmen der Stadtmauern gefangen mit der Zeit wurden behinderte Mensch in Zuchthäuser Arbeitshäuser und sog. Toll und Korrekturhäuser gesperrt genauso wie andere Menschen die, die bürgerliche Ordnung störten z.B Bettler, Vagabunden, Besitzlose, Arbeitslose “Asoziale“, Unmoralische Straffällige, Wüstlinge Sexarbeiter*innen Kranke, Aufrührer, entjungferte Töchter, verschwenderische Söhne usw. Die Lebensumstände waren erbärmlich, ab dem 15. Jahrhundert gab es dann Sonderabteilungen in den Spitälern, dieser soziale Ausschluss wurde durch die Kirche und die Polizei organisiert. Behinderte Menschen waren auch Opfer der Hexenverfolgung. Ab dem 19. differenzierte sich das Anstaltswesen, aus die behinderten Menschen kamen in sog. Idiotenanstalten. Heinz Becker beschreibt, dass es erst ab dem 19. Jahrhundert das Wort behindert als Bezeichnung für Menschen, die körperlich von der Norm abweichen. Menschen, die wir heute als “geistig behindert” bezeichnen, galten weiter als krank, ab 1828 gab es die ersten Sonderabteilungen für sog. idiotische Kinder. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert änderte sich durch den Kapitalismus die Sozialstruktur der Gesellschaft massiv die Entwicklung behinderte Menschen die vorher daheim von den Frauen der Familie versorgt wurden kamen vermehrt in Heime Becker nennt sie analog zu anderen Fabriken Hilfsfabriken ich finde das sehr passend. die Kirche vor allem die evangelische, mischte hier ab 1890 auch wieder verstärkt mit. 1913 lebten schon 240000 Menschen in diesen Anstalten wie die Heime hießen. Im 19. Jahrhundert entstand auch die Idee des unwerten Lebens Thomas Robert Malthus war einer der Vordenker, er entwickelte die Überbevölkerungstheorie nach der sich vor allem die ärmsten Schichten zu schnell vermehren. Francis Galton prägte für eine ähnliche Theorie den Begriff Eugenik Ernst Haeckel der deutsche Biologe übertrug Darwins Ideen auf die Menschliche Gesellschaft Darwin selbst lehnte dies Ideen ab kann aus meiner Sicht auch nicht für den Missbrauch seiner richtigen Theorien verantwortlich gemacht werden da widerspreche ich Heinz Becker der Psychiater Kraepelin sprach sich für staatliche Massnahmen zur Verminderung behinderter Menschen aus. Alfred Ploetz erfand den Begriff der Rassenhygiene, er lehnte auch die eingeführte Krankenversicherung ab, nur so könnte eine “natürliche” Auslese stattfinden. Nach dem Ersten Weltkrieg stieg die Popularität der sog. Degenerationsthese massiv. Der Jurist Karl Binding und der Psychiater Alfred Erich Hoche verfassten 1920 das Buch die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens. Also sie legten damit die Grundlage, die die Faschisten ab 1933 begannen umzusetzen. Anfänglich wurde die eugenischen Ideen auch von Sozialdemokrat*innen und vereinzelten Kommunist*innen und Vordenkern der Sozialen Arbeit mitgetragen, unter anderem Karl Kautsky, Odar Olberg und Alice Salomon. Auch Kirchenvertreter sprachen sich für Eugenik aus. Becker weist darauf hin das Hitler 1929 den Massenmord an behinderten und psychisch kranken Mensche schon ankündigt in dem er die Ermordung 700-800000 der Schwächsten der Gesellschaft forderte. Ernst Klee schrieb über den Zusammenhang der Eugenischen Vorgeschichte und den Morden Der Nazis “Die Psychiatrie wurde nicht von den Nazis missbraucht, die Psychiatrie brauchte die Nazis, brauchte einen Staat der ihren “Reformbestrebungen” aufgeschlossen gegenüberstand”. (Klee 1999) Das Gesetz zur Verhütung Erbkranken Nachwuchses Legalisierte die Praxis der Sterilisation und weitete sie massenhaft aus es folgten die Nürnberger Gesetze die Kinderfachabteilungen und Aktion T4 es wurden Meldebögen für behinderte und Psychisch kranke eingeführt die Gutachter der Aktion T 4 beurteilten dann wer leben darf und wer nicht (meldebögen für Psychisch kranke Menschen werden heute ja auch wieder gefordert schämen sie sich Herr Linnemann) diese Gutachter machten in der BRD aber zu einem kleinen teil auch der DDR Karriere in der BRD kam es noch bis 1966 zu Eugenische Diskussionen es wurden Auch was die Versorgung angeht große Unterschiede zwischen Kriegsinvaliden und anderen Behinderten Menschen gemacht. erst in den 1960er Jahren öffnete sich der Sozialstaat für zivile behinderte Menschen, wobei sich Körperbehinderte oft auch von sich aus von “geistig” behinderten Menschen abgrenzen, auch das hatte negative Tradition in Deutschland. In einem dritten Abschnitt widmet sich Becker nochmal dem Leben in der Anstalt ab dem 19 Jahrhundert dann geht er auf die Anstalt als Totale Institution ein des weiteren sind die Entwicklung der Arbeitsanforderungen des Anstalts Personal vom 19.Jahrh bis in die 1960 auch die Psychiatriereform ist ein Thema.
2.Teil des Buches geht Heinz Becker ausführlich auf die 1980 Jahre ein er geht dabei sehr ausführlich und informativ auf folgende Themen Ordnung als leitendes Motiv in Heimen unter dem Untertitel jedem Krüppel seinen Knüppel (Spruch der Behindertenbewegung) Geht er auf die autonome Behindertenbewegung ein auch auf die sog Krüppelgruppe, unter der Überschrift Alles Normal geht er dem sog Normalisierung Ansatz nach auch fragt er unter einer weiteren Überschrift “Ändert sich Das Berufsverständnis?” Zuletzt geht er in diesem Teil auf Supervision, Helfersyndrom und Burn-out bei Angestellten in der Behindertenhilfe ein.
Im 3.Teil des Buches reflektiert Roland Frickenhaus über die ersten 10 Jahre seiner Tätigkeit er tut das durch kleine Anekdoten über Kolleg*nnen und Patient*innen über geistliche Rituale einen Arzt der übermäßig und für alles Neurocil verschreibt zu Arbeit und Beschäftigung zu Fußpflege und zu Friseurbesuchen der Patient*innen er schreibt über die erste Urlaubsfahrt mit Patient*innen des Heimes, in dem er arbeitet. Diese Fahrt ist Fake. Auch einen kurzen Abschnitt über einen Gaststättenbesuch mit den Patient*innen wird erwähnt. Fricklinghaus schreibt auch kurz über das Zusammenspiel zwischen seinem Beruf und seinem Familienleben und das Konstrukt die Patient*innen seien, seine Familie. Er schildert seine Arbeit bei der Lebenshilfe, einem von Eltern gegründeten Träger der Behindertenhilfe.
Im 4. Teil schildert Heinz Becker Entwicklungen der 1990 Jahre in der Behindertenhilfe das erste Thema ist dabei die sog Wiedervereinigung Heinz Becker geht sehr differenziert auf die Behindertenhilfe in der DDR ein besonders erfreulich ist das er die Entwicklungen im Bereich Teilhabe an Arbeit so klar darstellt und darlegt dass deren Charakter fortschrittlicher war als in der BRD ich würde die Verhältnisse in der DDR Unternehmen trotzdem nicht wie Becker es tut als inklusiv bezeichnen. Ich bin aber der Meinung wenn wir die DDR Rechtslage für Arbeit und die daraus folgenden Strukturen nach dem Beitritt der DDR auf das ganze Gebiet Deutschlands ausgeweitet wären wir weiter wie jetzt stattdessen wurde alles abgewickelt und behinderte Menschen verloren zuhauf ihre Arbeit wie Becker gut erklärt. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde in der DDR zunächst auch die Anstalts-Psychiatrie wieder aufgebaut, dies änderte sich aber bald. Becker kritisiert, was zu kritisieren ist, aber ohne antikommunistische Arroganz, vor allem an den Wohnverhältnissen in den Heimen der DDR, gibt es nichts schön zu reden. Weitere Themen im vierten Abschnitt sind eine umfassende Kritik am Neoliberalismus und seine Auswirkungen und weitere Themen.
im 5. Teil reflektiert Roland Frickenhaus seine 90er in der Behindertenhilfe.
Im weiteren Verlauf reflektieren Becker und Frickenhaus noch die 2000er und 2010er. Zum Schluss des Buches gibt es noch Kapitel zu Gewalt in der Behindertenhilfe zum Neuen Selbstverständnis von Mitarbeiter*innen in der Behindertenhilfe und über die Zukunftpersektive und über die Notwendigkeit von System Spenger*innen. Buch “Wer nun weiß, Gutes zu tun…” ist aus meiner Sicht eigentlich in zwei Bücher aufgeteilt, eines mit der fundierten historischen Einordnung der Behindertenhilfe durch Heinz Becker und eines mit einer kritischen Plauderton,verfassten Berufsbiografie aus der Behindertenhilfe zugute halten muss man Frickenhaus das er von Jahrzehnt ein kritischeres Bild auf seine Arbeit wirft. Ich kann das Buch Wer nun weiß Gutes zu tun empfehlen
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