Freiwilligendienste haben als entwicklungspolitische Lerndienste den Anspruch, Programme für alle zu sein. Deshalb bemühen sie sich in letzter Zeit auch darum, die Diversität der Teilnehmer*innen zu steigern.Das Weltwärts Programm schreibt zum Beispiel über Inklusion:
„Inklusion ist nicht nur im Hinblick auf Menschen mit Beeinträchtigungen oder Behinderung ein Prinzip unserer Arbeit…inklusive Bildung bedeutet, dass allen Menschen – unabhängig von Geschlecht, Religion, ethnischer Zugehörigkeit, besonderen Lernbedürfnissen, sozialen oder ökonomischen Voraussetzungen – die gleichen Möglichkeiten offen stehen, an qualitativ hochwertiger Bildung teilzuhaben und ihre Potenziale zu entwickeln“
Und weiter: „Inklusion rückt die unterschiedlichen Bedürfnisse aller Lernenden in den Mittelpunkt und begreift Vielfalt als Chance für Lern- und Bildungsprozesse.“ Das Weltwärts Programm folgt damit der Definition der UNESCO. Dies wird von mir auch begrüßt.
Quelle: www.unesco.de/bildung/inklusive-bildung/hintergrundinklusive-bildung/inklusive-bildung-inhalte
Es stellt sich nun die Frage, sind Weltwärts und die anderen Anbieter*innen für Freiwilligendienste wirklich inklusive Programme? Untersuchungen von Weltwärts selbst zeigen, dass einige Personengruppen nicht so häufig an Weltwärts teilnehmen wie andere. 98% verfügen über mindestens ein Fachabitur nur 4% der Freiwilligen haben eine Berufsausbildung, wobei auch hier viele das Abitur vorher abgeschlossen haben.
13% der Teilnehmenden haben einen sogenannten Migrationshintergrund, jedoch ist die statistische Definition sehr weit gefasst und lässt wenige Rückschlüsse auf die wirkliche Diversität in diesem Bereich zu. Gemäß der Definition nach dem Mikrozensus, die das statistische Bundesamt verwendet, wird ein Migrationshintergrund allen nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderten, sowie allen in Deutschland geborenen Ausländern und allen in Deutschland als Deutsche Geborenen mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil zugeschrieben. Viele Menschen, denen nach dieser Definition ein Migrationshintergrund zugeschrieben wird, haben jedoch ein anderes Selbstverständnis. Nur 1% der Teilnehmenden hat eine Beeinträchtigung.
Durch die Zusammenarbeit mit z.B. bezev konnte ein Netzwerk von Trägern geschaffen werden welches sich dem Anliegen annahm, die Zahl der Menschen mit Beeinträchtigung, welche an Weltwärts teilnehmen wollen und können, zu erhöhen die Anzahl konnte im Zeitraum von 2011-2015 auf 11 Entsendungen pro Jahr erhöht werden. Bis zum Jahr 2011 war es durchschnittlich eine behinderte Person pro Jahrgang gewesen.
Die Frage, die sich mir als Person mit Beeinträchtigung stellt ist die, ob es überhaupt erstrebenswert sein kann, Teil der Freiwilligendienstprogramme zu sein oder zu werden? Denn mehr Teilhabe an einem Programm einzufordern, welches stets und meiner Meinung zu recht dem Vorwurf ausgesetzt ist, neokoloniale Strukturen aufrecht zu erhalten, hat meiner Meinung nach nichts mit Inklusion zu tun, es würde sich dabei maximal um Integration in ein falsches System handelt.
Die Frage die sich hier nämlich stellt ist, was muss sich alles an Programmen für Freiwilligendienste ändern, um sie wirklich inklusiv zu machen?.
Die Programme der Freiwilligendienste sind in einen postkolonialen Rahmen eingebettet, welcher von hierarchischen Machtstrukturen, kolonialen Vorstellungen und hegemonialen Unterschieden zwischen den Ländern des „globalen Nordens“ und jenen des „globalen Südens“ geprägt sind. Die Teilnehmer*innen von Freiwilligendiensten bewegen sich somit innerhalb eines Felds, in dem hierarchische Strukturen und zum Teil subtile Rassismen bestätigt werden. Die meisten Teilnehmer*innen von Freiwilligendiensten treten diesen ohne jegliche Ausbildung an, trotzdem arbeiten sie z.B. als Lehrer*innen, als Pflegehilfskräfte in Krankenhäusern. Selbst bei weitgehender Unkenntnis von Sprache, Geschichte, Kultur und Politik des Ziellandes. Darüber hinaus erhalten die Freiwilligen mit bis zu 100.-€ Taschengeld meist mehr Gehalt, als das gut ausgebildetes Personal des Gastlandes. Warum geht das? Dies hat mit ihrer Herkunft und dem damit verbundenen Machtverhältnis zwischen Europa und der sogenannten Dritten Welt zu tun.
Im Gegensatz dazu das Freiwillige z.B. aus Deutschland ohne Ausbildung und Vorerfahrungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit in den „globalen Süden“ entsandt werden, ist die Einreise nach Europa für Menschen aus dem globalen Süden mit zahlreichen bürokratischen Hürden verbunden. Somit bleibt die Möglichkeit, einen Freiwilligendienst zu absolvieren, ein Privileg, dass ausschließlich Jugendlichen aus dem „globalen Norden“ zugesprochen wird. Ich beantworte deshalb die Frage, ob behinderte Menschen an diesem System partizipieren sollen und um die Ermöglichung einer Teilhabe daran, kämpfen sollten mit einen klaren Nein Ich denke behinderte Menschen sollten sich solange bewusst dagegen entscheiden, Teil dieser Programme sein zu wollen bis diese Programme für so strukturiert sind, dass sie keine postkolonialen, rassistischen Strukturen mehr reproduzieren.