Fern Brady Strong Female Character eine Rezension

  Am 25. Oktober 2024 erschien im Pola Verlag das erste Buch der erfolgreichen Comedian Fern Brady, Titel Strong Female Character Untertitel des Buches Mein   Leben zwischen Sexismus und Autismus. Übersetzt wurde das Buch von  Doreen Reeck.

Schon sehr früh wusste Fern Brady, dass ihr soziale Interaktionen sehr schwer fielen, auch wenn ihr als kleines Kind die Worte dafür fehlten. Als sie zufällig über Autismus las, wusste sie instinktiv, warum. Hier war die Erklärung für ihre andere Wahrnehmung, ihre Meltdowns, aber vor allem dafür, warum es ihr so schwer fällt, soziale Signale richtig zu deuten. Doch erst mit 34 Jahren folgte endlich die Diagnose.

Einer der Hauptgründe warum es so lange gedauert hat, bis sie die Diagnose bekam liegt auch daran, dass ihre Umwelt ihr nicht glaubte, weil ihr Verhalten nicht typisch genug für die Autismus-Diagnosekriterien war Dies wiederum hat viel damit zu tun, dass sie eine Frau ist, und die Kriterien zur Diagnostik von Autismus sind noch immer sehr auf Jungen ausgerichtet. Fern schreibt, im Buch dass ein Arzt wirklich zu ihr sagte, da sie schon als Jugendliche eine Beziehung hatte, kann sie keine Autistin sein Fern kommentiert diesen Blödsinn mit Verweis auf Hans Aspergers Forschungen vor und nach dem Krieg,  Dass dieser nur an 8 Jährigen Jungs geforscht habe und es da klar sei, dass diese noch keine Beziehung gehabt hätte. Die von Asperger aufgestellten Kriterien sind bis heute feststehende Diagnosekriterien.

Das Buch beginnt damit das Fern Brady die Diagnose Autismus erhalten hat und mit ihrem Vater telefoniert, der sie direkt danach fragt, was sie gegessen hat, woraufhin sie ihn darauf hinweist, dass diese Reaktion klar macht, von wem sie den Autismus geerbt hat. Autismus wird meist von einem Elternteil vererbt. Im weiteren Verlauf werden den Leser*innen auf den Weg bis zur Diagnose mitgenommen. Eines der ersten  Dinge die den Leser*innen beim lesen klar wird ist das es Menschen mit Autismus so schwer fällt/gemacht wird die vermeintlich richtige soziale Interaktion zu erlernen das liegt auch daran das sich neuro-typische Menschen oft einfach absurde soziale Regeln gegeben haben wie z.B. dass man aus Höflichkeit lügt, um niemanden zu verletzten oder Dinge in irgendwelchen Redewendungen und Sprüchen zu verpacken. Nach der Diagnose blieb erstmal die erwartete Befreiung aus.

Übel finde ich vor allem die Reaktionen, die Fern aus der eigenen Autismus-Community entgegen schwappte, weil sie ihren Autismus nicht als identitätsstiftend und damit völlig offen und positiv bewertete.

Ab dem zweiten Kapitel geht es im Buch mehr oder weniger chronologisch von vorne los. Es geht dabei auch um eine Mitschülerin mit Lernbeeinträchtigung, zu der Fern ein eher negatives Verhältnis hatte. Fern beschreibt auch die massive Übergriffigkeiten ihrer Mutter in ihrer Kindheit. Das Fern dies mit einer katholische-schottische Erziehung und Prägung, zu rechtfertigen versucht kann ich nicht nachvollziehen, dass was Ferns Mutter Fern aufgrund ihres vermeintlichen Fehlverhaltens angetan hat, ist pure Gewalt sowohl physisch als auch psychisch. Fern beschreibt die Beziehung zu ihren Eltern immer sehr ehrlich und beschönigt nichts. Ab ihrer Jugend schmeißen ihre Eltern sie immer wieder zuhause raus, was für Jugendliche immer eine Katastrophe ist, verstärkte sich bei Fern dadurch das ihre Routinen  wegfallen die  für sie als  Autistin sehr wichtig sind schreibt sie selbst sie verlor fast den Halt.

Fern kam, obwohl sie nach eigener Einschätzung schlau war, in frühen Jahren in der Schule nicht gut zurecht, weil sie sich aus Unterforderung ausgeklinkt hatte. Die Langeweile zeigt sich unter anderem an dieser Anekdote. Da sie um einiges mehr Lesekompetenz als ihre Mitschüler*innen hatte und diese ein Jahr damit verbrachten, den kleinen Hobbit zu lesen, den sie unrealistisch und uninteressant fand schmuggelte sie andere Bücher im Umschlag des Kleinen Hobbits in die Schule und las diese dann während ihre Klasse den kleinen Hobbit las. Nach dem sie mit dieser Aktion aufgeflogen war kam es zu einer Diskussion mit ihren Eltern und den Lehrer*innen, an deren Ende sie die Erlaubnis bekam, das zu lesen, was sie wollte, während die anderen Kinder den Kleinen Hobbit lesen mussten.

Dafür, dass  Fern Brady ihr Pausenbrot auf der Toilette aß, weil es der einzige ruhige Ort der Schule war, bekam sie aber trotz aller Erklärungsversuche ihrerseits Ärger. All dieser Druck führte dazu, dass Fern Brady mit 8 Jahren einen Selbstmordversuch hatte.

Schockierend finde ich die Schilderungen ihrer toxischen Beziehungen zu Männern, die einen tiefen Einblick in die Dynamiken von Macht, Kontrolle und emotionalem Missbrauch geben, eine dieser Beziehungen eskaliert, der Typ erstickte sie fast mit einem Kissen. Fern Brady beschreibt, wie schwer es für sie war, sich aus dieser Beziehung zu lösen, und reflektiert eindrucksvoll, warum sie trotz allem immer wieder dorthin zurückkehrte.

Wütend auf die Strukturen, die Menschen in psychischen Ausnahmesituationen helfen sollen, machte mich der Abschnitt, in dem der Aufenthalt von Fern Brady in einer katholischen psychiatrischen Tagesklinik für Jugendliche beschrieben wird. Das einzig Positive an diesem Aufenthalt ist das sie merkt das sie Bisexuell ist.  Die Beschreibungen wenn Fern Brady beschreibt wie sie als  Frau mit Autismus aus der Arbeiter*innenklasse und aus einem katholisch geprägten Milieu stammend ihre Zeit an der Universität verbracht hat und wie sie daran fasst scheiterte ist sehr lehrreich was soziale Strukturen und Dynamiken angeht und was dabei gesellschaftlich schief läuft, Gut wird auch beschrieben, wie Ferm aus einem katholischen Elternhaus kommend zu einer Frau mit selbstbewusster, selbstbestimmter Sexualität wurde.Ihr Studium finanzierte Fern mit einem Job als Stripperin dieser  Abschnitt ist eine sehr gute Analyse dass das arbeiten in der Sexarbeit eine selbstbestimmte Entscheidung sein kann, und dass dies auch auf Frauen mit Autismus zutrifft, legt Fern Brady ausführlich  dar. Dieser Teil  ist aus meiner Sicht der am meisten über eine reine Autobiographie hinausgeht.

Drei kleine Dinge, die mich gestört haben beim lesen sind 

  1.  Das Fern andere behinderte Menschen fast nur negativ, oder bestenfalls als schrullige Skurrilitäten beschreibt.                                                          
  2.  Menschen die Fern nicht mag oder mit denen sie negative   Erlebnisse hatte, werden anhand von Körpermerkmalen negativ beschrieben. Body Shaming  ist uncool
  3. 3.Bei einer Sache frage ich mich, ob es an der Übersetzung liegt um eine Übersetzung  In diesem Buch gibt es einige Metaphern, dieser Fakt alleine hat mich nicht überrascht, da Fern ja professionell mit Sprache arbeitet. Da sie aber immer wieder betont, wie sehr sie den Umgang mit Metaphern lernen musste, überrascht mich die Nutzung von Blindheits-Metaphern durch sie dann doch, denn diese Blindheits-Metaphern werden synonym für Ignoranz eingesetzt. Deshalb  frage ich mich, ob es diese Metaphern in der Englischen Sprache überhaupt gibt oder ob andere Metaphern, die in Deutschland niemand verstehen würde, durch diese Blindheits-Metaphern ersetzt wurden.  Was eine sehr  schlechte Wahl wäre.
 
Dieses Buch ist eine Absolute Empfehlung denn  macht deutlich, dass in unserer kapitalistisch ableistischen sexistischen Gesellschaft in all ihren Teilbereichen ganz offensichtlich jede Abweichung von einer gesunden, männlichen Norm, mit Barrieren und massiven individuellen Nachteilen verbunden ist. Diese  Erkenntnis sollte allen Leser*innen Ansporn sein das zu ändern

https://bastei-luebbe.de/unternehmen/unsere-verlage/pola

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