Blindfisch von Karen-Susan Fessel eine Jugendbuch Rezension

Im Oetinger Verlag ist 2022 das Jugendbuch Blindfisch von Karen-Susan Fessel erschienen in diesem Jugendbuch geht es um Lon eine*n 16-jährige* Jugendlichen mit dem seltenen Usher-Syndrom. Lon hat den Typ 2. Nach und nach verliert Lon sein/ihre Seh- und Hörvermögen,  seine/ihre  Schwerhörigkeit ist seinem/ihrem  Umfeld bekannt,  aber nicht seine/ihre progressiv verlaufende Erblindung.

Nicht einmal Oscar, sein/ihr bester Freund, weis davon.  Dass Lon gerade einen massiven Schub bei der Verschlechterung seines Sehvermögens erlebt, verschweigt Lon auch seiner Mutter.  Die Leser*innen erfahren erst auf Seite 52, dass sein Umfeld die Beeinträchtigung der Augen nicht bekannt ist. 

Als Leser*in hat mensch bis dahin ständig das Gefühl warum: „macht Lon sich das Leben so schwer“? Und mensch grübelt, warum die Verschlechterung von Lons Sehkraft kein Thema zwischen den Freund*innen wird. Ich denke, eine frühere Einführung der Leser*innen in die Gedankenwelt von Lon über sein Verschweigen der, rapide abnehmenden Sehkraft, würde helfen, ein besseres Verständnis der Verhaltensweisen der Protagonist*innen zu erhalten. So aber bleiben die Schwierigkeiten, die Lon durch die Beeinträchtigung im Alltag hat und die damit verknüpften Probleme unausgesprochen und bekommen keine gesellschaftliche Ebene.

Ab Mitte des Buches werden den Leser*innen die Gedanken Lons, warum der Verlust der Sehkraft verschwiegen wird, offenbart. Lon erkennt ab diesem Punkt auch, welche Vorteile die Offenlegung der Beeinträchtigung gegenüber dem Umfeld hätte. Lon selbst zählt diese auch auf, Untersuchungen, Hilfsmittel, Gespräche. Trotzdem lässt die Autorin Lon entscheiden, sich weiterhin gegen die Offenlegung entscheiden und Lon denken, dass die Umwelt sie/ihn ansonsten endgültig als nicht mehr “normal “ ansehen würde, sondern als behindert.

Dass die Autorin Lon denken lässt, durch eine Offenbarung gegenüber dem Freundeskreis und der Mutter von diesen als behindert „degradiert“ zu werden, ist deshalb nervig, weil es so als “selbstverständlich” vermittelt wird, dass Lon als Mensch mit Einschränkungen gesellschaftlich einen Abstieg erleben würde. Die Anerkennung von Beeinträchtigungen durch das Umfeld von Lon und damit der damit einhergehende gesellschaftliche Akt wird nicht vollzogen. Ich denke das liegt an einem falschen Verständnis der Autorin von Behinderung.

In Bezug auf Lons Behinderung durch die gesellschaftlichen Barrieren  könnte durch die Einbeziehung des sozialen Umfeldes und die Nutzung von Hilfsmitteln sogar eine teilweise „Enthinderung“  in Gang gesetzt werden. Um meine Verwunderung über die Vorgehensweise der Autorin zu unterstreichen, möchte ich an dieser Stelle Artikel 1 Satz 2 der UN- Behindertenrechtskonvention einfügen, dort steht: … Dazu gehören „Menschen die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können“

Auf einer Klassenfahrt verirrt sich Lon und verletzt sich Lon reist einen Tag vor Ende der Klassenfahrt ab. Wieder Zuhause offenbart er sich seiner Familie, dann auch Oscar wenige Zeit später auch dem übrigen Umfeld. An dieser Stelle ist der Roman fast schon vorbei.  Dass sich die Autorin dazu entschieden hat, dass Lon ihre/seine Beeinträchtigung so lange verheimlicht, ist sehr schade.

Denn ich denke, eine schnellere Offenlegung der Tatsachen hätte Lon ermöglicht, mehrdimensionaler zur Geltung zukommen. Ich denke, dass es eine Fortsetzung von Lons Geschichte geben sollte,  in der  Lon, befreit von dem Geheimnis, ein selbstbestimmtes Leben  führen kann.

Durch den Jugendroman zieht sich ein weiterer Strang, das Thema sexuelle Orientierung und sexuelle Identität, die Queerness von Lon und Oscar spielt dabei eine erhebliche Rolle. Was sehr zu begrüßen ist. Denn leider sind homosexuelle oder trans- oder non binäre Personen mit Beeinträchtigung in der Jugendliteratur eine absolute Ausnahme. Der formale Aufbau des Romans ist für mich zwiespältig: Dies fängt bereits mit dem Titel  “Blindfisch” an, Blindfisch ist ja eigentlich eine Beleidigung.  Die Covergestaltung ist eine nette Idee das Wort „Blindfisch“ steht mehrmals auf dem Cover immer kleiner werdend. Schön hätte ich es gefunden, wenn der Titel reliefartig gestaltet worden wäre. Warum ein Buch mit 205 Seiten 101 Kapitel haben muss, wovon 25 keine halbe Seite lang sind  und teils nur aus ein bis drei Sätze bestehen, verstehe ich nicht und schwächt, aus meiner Sicht, die Lesespannung. Auch die Gliederung in die Abschnitte März bis August ist aus meiner Sicht nicht nötig. Ich würde mich trotz der erwähnten Unzulänglichkeiten „Blindfisch“ für Jugendliche ab 12 Jahren empfehlen und mich über einen zweiten Teil freuen.

Blindfisch

 

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