Die Arbeitssituation behinderter Menschen ist prekär

  1. Oktober 2019 Daniel Horneber Kommentar hinterlassen

Auch bei behinderten Menschen nimmt Arbeit einen nicht unerheblichen Anteil der Lebenszeit ein. Ein Blick auf die Arbeitssituation behinderter Menschen zeigt  prekäre Zustände,  verstärkt bei  Menschen, die in  Werkstätten für behinderte Menschen arbeiten müssen. 2022  arbeiteten in rund 700 Werkstätten für behinderte Menschen  an mehr als 3.000 Standorten rund 320.000 Menschen. Wer in Deutschland in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeitet, verdient durchschnittlich 220€  220 € im Monat, das macht einen Stundenlohn von ca. 1,46 € – gerade mal etwa ein Achtel des festgeschriebenen Mindestlohns.

76%  der Beschäftigten sind lern-beeinträchtigte Menschen

21 % der Beschäftigten  sind psychisch-beeinträchtigt Menschen

3%  der Beschäftigten haben eine körperliche Beeinträchtigung

Bereits 2016 äußerte sich das Deutsche Institut für Menschenrechte folgendermaßen: Viele Menschen mit Behinderungen haben kaum Chancen auf einen Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, weil die Arbeitsplätze dort nicht inklusiv gestaltet sind.
Das Institut für Menschenrechte äußert auch, dass das System der Behindertenwerkstätten aus menschenrechtlicher Perspektive bedenklich ist. Behinderte Menschen arbeiten dort isoliert von Menschen ohne Beeinträchtigung. In der UN-BRK in Artikel 27 – „Arbeit und Beschäftigung“ werden folgende Grundlagen durch die Vertragsstaaten anerkannt das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit; dies beinhaltet das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, inklusiven und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird.  Im Klartext, die Werkstätten widersprechen der UN BRK.

Der BRD ist es bis heute nicht gelungen oder es bestand nicht der politische Wille durch Vorschriften einen inklusiven, mit der UN BRK in Einklang stehenden Arbeitsmarkt zu schaffen, dies ist aber nötig um als Vertragsstaat allen Punkten des Artikel 27 der UN-BRK gerecht zu werden. Die Arbeitslosigkeit bei behinderten Menschen ist doppelt so hoch wie bei nicht-behinderten Menschen. In der BRD muss jedes Unternehmen ab 20 Mitarbeiter*innen 5% der Arbeitsplätze mit behinderten Menschen besetzen Unternehmen, die diese Quote nicht  einhalten, müssen eine Ausgleichsabgabe bezahlen. Die Höhe der Ausgleichsabgabe beträgt je Monat und unbesetzten Pflichtarbeitsplatz: zwischen 140 und 720 €, je nachdem, wie weit sie von der Quotenerfüllung entfernt sind. Für Unternehmen unter 60 Mitarbeiter*innen gelten niedrigere Sätze der Ausgleichsabgabe. Meine Kritik richtet sich gegen die Höhe der Abgabe, denn diese ist zu niedrig, um die prekäre Arbeitssituation behinderter Menschen zu verbessern.

Mein Vorschlag: Die Ausgleichsabgabe muss auf den im Vorjahr durchschnittlich gezahlten Bruttolohn erhöht werden. Darüber hinaus müssen alle Schlupflöcher, die es den Unternehmen ermöglichen, sich von der Ausgleichsabgabe freizukaufen, abgeschafft werden. Als härteste Sanktion fordere ich, dass gegen Unternehmen, welche ihrer Verpflichtung zur Einstellung von Menschen mit Beeinträchtigungen länger als 5 Jahre nicht nachkommen, und dabei immer unter einer Quote von 2% blieben, ein Verfahren zur Überführung der Produktionsmittel in Gemeineigentum nach Artikel 15 Grundgesetz, eingeleitet wird.

Artikel 15 GG lautet: „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden“. Ich denke, dass jedes Unternehmen, welches seiner Beschäftigungspflicht für behinderte Menschen nicht nachkommt, Artikel 27 der UN-BRK verletzt und damit eine Menschenrechtsverletzung begeht! Wenn nicht in einem solchen Fall, wann sonst sollte Artikel 15 GG denn zur Anwendung kommen?

Aber statt die  Konsequenzen für Unternehmen zu verstärken, wurde vor kurzem durch Beschluss des Bundestages sogar die Bußgeldvorschrift in § 238 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX aufgehoben. Auf Grundlage dieser Regelung konnte bislang ein Bußgeld verhängt werden, das bei bis zu 10000 liegen hätte können, was in dieser Höhe aber niemals passiert ist aber diese Möglichkeit ganz abzuschaffen war einfach politisch dumm.

Ein weiterer Skandal, der auch durch die Reform der Ausgleichsabgabe nicht behoben wurde, ist, dass die  Ausgleichsabgabe mit der Steuer verrechnet werden kann.

Auch die Bestimmung, dass wenn ein Unternehmen Ausgleichsabgabe zahlen muss, aber einen Auftrag an eine Behindertenwerkstatt vergibt, dass es dann die Ausgleichsabgabe zur Hälfte  anrechnen kann muss weg denn  das führt jede Inklusionbemühung  ad absurdum.

Für einen inklusiven Arbeitsmarkt wie ihn die  UN BRK fordert muss noch sehr viel getan werden  Die BRD wurde auch für die prekäre  Arbeitssituation behinderter Menschen  2023 wieder  von der UN gerügt

 

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