Fragile Fäden Perspektiven auf Beziehungsweisen im Kapitalismus eine Rezension

Am 4.4.2024 ist im Verlag Edition Assemblage der Sammelband Fragile Fäden Perspektiven auf Beziehungsweisen im Kapitalismus erschienen, der Sammelband Fragile Fäden  vereint viele Perspektiven auf Beziehungsweisen im Kapitalismus. Das Buch hat 280 Seiten und kostet 16 Euro. Das Herausgeber_innenkollektiv von Fragile Fäden besteht aus Oriel Klatt, Eliah Arcuri, Elio Nora Hillermann, Jo Menhard, Katharina Vitt und Tom Wulf. Das Buch enthält 18 Themenbeiträge.

Das Vorwort zum Buch trägt den Titel “Bzw. Sammelband” darin beschreibt das Herausgeber*innenkollektiv  von Fragile Fäden den Leser*innen, was es mit den fragilen Fäden auf sich hat, die Titelgebend sind für das Buch, gemeint sind damit die Verbindungen, die uns in Beziehung zueinander setzen, aber auch zur Gesellschaft einer kapitalistischen Gesellschaft. Das Wort Beziehungsweisen wird ebenfalls definiert.

Das Herausgeber*innenkollekt reflektiert sich selbst und den Entstehungsprozess des Buches und beschreibt offen, dass am Anfang der Anspruch an das Buch zu sehr von einem universitären Verständnis von Wissensvermittlung  geprägt war und das Buch ursprünglich nur wissenschaftliche Essays enthalten sollte. Dem Buch tut es gut, dass es im Endeffekt nicht so gekommen ist. der Sammelban Fragile Fäden ist ein Mosaik an Textformen und Themen. Alle Autor*innen nahmen die eigene Verwobenheit in das kapitalistische System in den Fokus.

Mit dem Wunsch nach Zugänglichkeit begründet das Herausgeber*innenkollektiv das umfangreiche Glossar, das den Texten vorangestellt wird, ob dieser Anspruch erfüllt wurde, wenn das Glossar 31 Seiten umfasst, versehe ich mit einem kleinen Fragezeichen.

Das Herausgeber*innenkollektiv bekennt sich zur Lückenhaftigkeit des Buches und benennt Themen, die sie gerne noch im Buch gehabt hätten. Flucht und Vertreibung Krieg, Antisemitismus, Die Ausbeutung und Entwertung von Menschen die behindert werden. Psychiatrie und Gefängnis Erfahrung.

Auch wenn ich gerne einen Text über die ökonomische Stellung behinderter Menschen im Kapitalismus gelesen hätte, kann ich als behinderte Person das Herausgeber_innenkollektiv in so weit beruhigen die Perspektiven behinderter Menschen fehlen im Buch ja nicht vollständig denn die Perspektiven behinderter Menschen sind implizit in einigen Texten schon deshalb mitgedacht weil sich manche der Autor*innen sich in ihrer Selbstbeschreibung als behinderte Menschen  positionieren oder im Text Themen bezogen mit erwähnen auch wenn der  Text aus einer anderen Perspektive geschrieben wurde.

Bevor ich  zu den Beiträgen komme, noch zwei kleine formale Anmerkungen die ich als behinderter cis Mann mache der selbst nicht blind ist.

Beim Gendern möchte ich darauf hinweisen, dass wenn es um Zugänglichkeit geht vom Blinden und Sehbehindertenverband darum gebeten wird, wenn mit Sonderzeichen gegendert werden soll (ist  aus meiner Sicht notwendig) mit Sternchen zu gendern. Besonder schwierig für Barrierefreiheit ist wenn mit Unterstrich gegendert wird und dann ein Wort wie z.B. Sexarbeiter_innen, miteinem Hinweis auf das Glossar versehen wird  dafür aber noch einmal im Ganzen unterstrichen wird.

Wo sich für mich als behinderte Person bemerkbar macht das es sich um ein rein nicht behindertes Herausgeber*innenkollektiv mit akademischem Hintergrund handelt ist wenn bei den Worten behindert und Behinderung um den Gesellschaftlichen Vorgang des Behinderns deutlich zu machen ein Unterstrich eingefügt wird so z.B. be_hindert und Be_hinderung aus meiner Sicht wäre es besser einmal kurz zu erklären was der Unterschied zwischen Beeinträchtigung und Behinderung ist. “Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.” Definition von behinderten Menschen in der UN BRK.

Im ersten Text mit dem Titel Transitionierende Beziehungsweisen weist Mascha Linke nach was Transition mit Klasse zu tun hat, ich finde, dass gelinkt sehr überzeugend Mascha Linke tritt auch dem in Teilen der Linken noch viel zu oft erhobenen Vorwurf Geschlechtsidentitäts Debatten seien Luxus entschieden entgegen.

Im Text „Aus einem Stall“ legen Emmillie Czizikowski, Jule Fechner und Maxi Karthaus die Beziehungsweisen  ihrer Freund*innenschaft offen.

„Im Text „Lücken_los“ von Sarah Mouwani legt Sarah in Gedichtsform dar, wie Kapitalismus und akademische Regelwerke die Aufarbeitung und Wahrnehmung der eignen Geschichte prägen. Der Text besticht gerade wegen seiner Kürze und Prägnanz.“

Im Text „Zwischen Markt und Spielwiese: Technologien und Nahbeziehungen im Kapitalismus“ kritisiert Jo Menhard verkürzte antikapitalistische Technologiekritik die einfach nur die Technologien als solches  kritisiert ohne auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen einzugehen. Als Beispiel dienen Dating Apps  weil das Tools sind die im besten Fall Nahbeziehungen herstellen

der Text überzeugt durch seine intersektionale Perspektive auch wenn der Text aus einer queeren Perspektive verfasst ist werden andere marginalisierte Gruppen erwähnt und mitgedacht so auch behinderte Menschen.

Im Text „To build a Home von kapitalistischen Wohnräumen L(i)ebensrealitäten und deren Divergenzen“ beschreibt Rina Stefan was wohnen im Kapitalismus mit finanziellen Privilegien zu tun hat und wie sich das auf unsere Beziehungsweisen auswirkt.

Turana Aynal schreibt im Text „Leistung Tragen“ darüber, wie Menschen mit internationaler Familien Geschichte immer besser sein müssen, in dem, was sie tun und welche Auswirkungen das auf Beziehungen hat.

Oriel Klatt schreibt  in dem Text. „Die dickenfeindliche Trias Dickenfeindliche Ideologieund ihre Verwebung in kapitalistische Verhältnisse“ darüber welche Auswirkungen Dickenfeindlichkeit auf unsere Beziehungsweisen hat und was das mit dem Kapitalismus zu tun hat.

Simin Jawabreh setzt sich in dem Text „Gefährliche Liebschaft: Feminismus und Neoliberalismus“ mit dem Teil des Feminismus auseinander, der durch seine Forderungen sehr leicht vom Neoliberalismus vereinnahmt werden konnte und sich seit einiger Zeit offen den Herrschenden an dient.

Im Text „Beziehungsweise Klimasolidarität“ von Jona v. Cztettritz geht es darum, was es braucht, um einen solidarischen Umgang mit der Klimakrise zu finden. Dieser Text ist mega aktuell. Dieser Text bleibt nicht bei reiner Konsumkritik stehen. Sondern Spricht auch über kapitalistische Strukturen  die verändert werden.

Jasmin Hagendorfer schreibt im Text “Pornöse Möglichkeitsräume Obszönitätsvisionen einer Zukunft” über Intimität und Sinnlichkeit  im Kapitalismus“ aus persönlicher Sicht, unter anderem über das subversive  Potenzial von Pornos wenn alle Gender mitgedacht werden und Sexismus vermieden wird. Mich hat dieser Text überzeugt.

Ellie Nora Hillermann schreibt in dem Text “Beziehungsweise Nonbinary” darüber, was Nonbinary zu sein im Kapitalismus bedeutet und warum der Kapitalismus eine Binarität der Geschlechter braucht und welche Auswirkungen das auf  Beziehungsweisen von Nonbinary Personen hat.

Im Text  !Film als politische Praxis“ schreibt Joana Georgi darüber wie linke Filmemacher*innen dazu beitragen können, die eigene Geschichte zu reflektieren, ohne in Antikommunismus zu verfallen und Joana Georgi kritisiert, dass heutige Linke Filme keine gesellschaftlichen Perspektiven und Visionen vermitteln, sondern sich nur noch einzelnen Themen zuwenden.

Deniz Akyol schreibt unter dem Titel „Im osmanischen Stil“ Bezug nehmend auf Nâzım Hikmet dem großen türkischen Dichter und Kommunisten ein eindringliches Gedicht über die Proteste im Gezi-Park.

Im Text “Eine Suche nach contra-kapitalistischen Praktiken im Kontext der Lebensführung“ setzt sich Luzia Winterholler mit dem Konzept der Work-Life-Balance auseinander und weist nach dass es sich um ein neoliberales Konzept zur Selbstoptimierung handelt. Im zweiten Teil sucht Luzia Winterholler das subversive Potential des Konzepts, mich überzeugt der erste Teil sehr viel mehr als der zweite Teil.

Im Text „Prostitutionstheater Sexarbeit im Kapitalismus – eine Debatte auf Abwegen“ beschreibt  Ruby Rebelde wieso der Diskurs über ein Verbot von Sexarbeit schädlich ist und zwar vor allem für die Sexarbeitenden selbst also genau für diejenigen die die  Sexarbeitsgegner*innen, ja, angeblich befreien wollen. Überzeugend ist der Text für mich aus mehreren Gründen. Weil die Akteur*innen des Prostitutionstheaters benannt werden. Weil die negativen Auswirkungen auf Sexarbeiter*innen benannt werden. Aber auch weil nachgewiesen wird wie notwendige Verbesserungen für Sexarbeiter*innen durch das Prostitutionstheater sogar verhindert werden. Ruby Rebelde spricht auch aus, was wirkliche Verbesserungen wären. Z.B. Es braucht erschwingliche Mieten für die Räume in den Betriebsstätten die die Sexarbeiter*innen mieten müssen um arbeiten zu dürfen. Flächendeckende Gewerkschaftliche Organisierung, Arbeitsschutz in den Betriebsstätten muss verbindlich und einklagbar sein.Das Stigma das Sexarbeiter*innen erleben muss endlich als Diskriminierung anerkannt werden.

Im Text „Ausgelutscht und Ausgezuzelt im Gespräch und Nachspüren über sorgende und sorgebedürftige Körper im Kapitalismus“ von Prince S. Ass und Jonas N. Bear geht es um genau das sorgende und sorgebedürftige Körper im Kapitalismus aber auch darum wie diesem Thema in der Linken viel zu oft mit Ignoranz begegnet wird.

Janis Walter beschäftigt sich im Text „Kapitalismus und Kameradschaft“ mit dem Phänomen der Kameradschaft und was diese Beziehungsweise mit dem Kapitalismus zu tun hat Janis Walter verortet die Beziehungsweise der Kameradschaft voll und ganz im reaktionären bis faschistischen Spektrum.

Was mehr als nur ärgerlich ist, ist die Tatsache dass Janis Walter völlig ignoriert das auch die und vor allem die älteren Mitglieder des VVN-BdA sich mit Kameraden und Kameradinnen ansprechen aber auch die Mitglieder der FIR. Die FIR ist Die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) – Bund der Antifaschisten ist die Dachvereinigung von Organisationen ehemaliger Widerstandskämpfer, Partisanen, Angehörigen der Anti-Hitler-Koalition, Verfolgten des Naziregimes und Antifaschisten heutiger Generationen aus über zwanzig Ländern. Olga Tiefenbacher denkt in dem Text “Woher wir kommen wohin wir gehen Beziehungsweise(n) des schlechten Heute zum befreiten Morgen” darüber nach wie wir von einer von Herrschaft durchzogenen Gesellschaftsordnung zu einer von Herrschaft befreiten  Gesellschaft kommen.

Am Ende des Buchs  gibt es kurze Portraits  von den  Herausgeber*innen und den Autor*innen 

Ich kann den Sammelband Fragile Fäden Perspektiven auf Beziehungsweisen im Kapitalismus wärmstens empfehlen.

https://www.edition-assemblage.de/

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