Am 03.03.2025 erschien »Mama, bitte lern Deutsch« von Tahsim Durgun bei Droemer Knaur. Der Untertitel lautet: „Unser Eingliederungsversuch in eine geschlossene Gesellschaft“. Tahsim Durgun erzählt in diesem Buch seine Geschichte als Sohn von aus der Türkei geflohenen kurdischen Jezid*innen in Deutschland. Mit messerscharfem Witz und der angebrachten Prise Zynismus reflektiert Tahsim Durgun, den viele jüngere Menschen wahrscheinlich von Instagram kennen, die Lebenswirklichkeit der postmigrantischen Gesellschaft; diese Lebenswirklichkeit ist sein Leben. Er rechnet dabei mit der deutschen Bürokratie und dem ihm und seiner Familie aus der weißen deutschen Mehrheitsgesellschaft entgegengebrachten Alltagsrassismus ab. Tahsim muss schon als Grundschüler für seine Eltern, die beide Analphabeten sind, das erste mal Abschiebebescheide entziffern und übersetzen. Er begleitet seine Mutter, die fast kein Deutsch spricht, als Dolmetscher zu intimen Arztbesuchen und liest Aldi-Propekte am Küchentisch vor. Die Ignoranz und der offene Rassismus, die ihm und seiner Familie entgegen schlagen, sei es beim Arzt, auf der Ausländerbehörde oder beim Schulbasar. macht beim Lesen unglaublich wütend. Besonders eindrücklich war für mich seine Beschreibung der belastenden Besuche bei der Ausländerbehörde und hierbei vor allem, als es darum ging, dass er und zwei seiner drei Geschwister einen Bescheid bekamen, der ihnen die Abschiebung androhte. Sein kleiner Bruder hat als einziger in der Familie die Deutsche Staatsbürgerschaft, die er seit seiner Geburt besitzt, denn er ist nach der Jahrtausendwende geboren. Seit 2000 bekommen Kinder, die in Deutschland geboren sind, die deutsche Staatsbürgerschaft, wenn ein Elternteil seit 8 Jahren in Deutschland lebt; seit 2004 sind es fünf Jahre. Diese Regelung gilt nicht rückwirkend für alle in Deutschland geborenen Menschen.
Beeindruckend beim lesen war für mich auch, mit welcher liebevollen Härte Tahsim von dem Viertel erzählt, in dem er aufgewachsen ist und dessen Bewohner er als mehrheitlich Ausländer beschreibt. Die einzigen weißen Deutschen, die dort wohnten, seien behinderte Menschen und Suchtkranke. Diese Beschreibungen machen aus meiner Sicht nochmal klar und deutlich, dass alle marginalisierten Gruppen untereinander mehr gemeinsam haben, als mit irgendeinem Milliardär und sie machen auch deutlich, dass Integration gescheitert ist; aber nicht, weil migrantische Menschen nicht willig wären, sondern weil Integration als Konzept gescheitert ist. Wir brauchen für alle eine inklusive Gesellschaft. Das Buch „Mama bitte lern Deutsch“ ist eine absolute Empfehlung.
https://inklusion-statt-integration.de/
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