Klartext Roman von Sara Novic eine Rezension

Klartext ein Roman 

Am 23.04.2025 erschien der neue Roman „Klartext“ von Sara Nović im btb Verlag.“Klartext“ beginnt damit, dass sich die kleine February Waters als Grundschulkind einen Bleistift ins Ohr rammt, weil sie nicht mehr hören will wie die anderen Kinder sie mobben, weil ihre Eltern taub sind. Es folgt ein Zeitsprung: Wir befinden uns an der River Valley School, einem Internat für Gehörlose in den USA, in dem February Waters mittlerweile Direktorin ist. Aus dem Internat verschwinden drei Jugendliche: Charlie, Austin und Eliot.

Charlie ist neu an der River Valley School. Wir erfahren durch einen erneuten Zeitsprung, diesmal 6 Monate zurück, dass sie mit ihren Gefühlen kämpft und damit, sich verständlich zu machen, denn bisher hatte sie keinen Kontakt zur Gemeinschaft der Gehörlosen und spricht deshalb, als sie an die Schule kommt, noch keine Gebärdensprache. Charlie leidet unter ihrem Cochlea Implantat, das nicht richtig funktioniert und hat in der alten Schule und durch den Druck der Mutter sehr unter der Zwangsanpassung an die hörende Gesellschaft gelitten. Nach der Trennung der Eltern kommt sie zum Vater und der schickt sie auf die River Valley School, wo sie langsam aber sicher aufblüht. Es gibt in Charlies Geschichte im Roman einen Strang, der lange wie ein Nebenstrang wirkt: bei einer wilden Party hat Charlie Sex mit Slash, der früher auf ihrer alten Schule war und mit dem sie schon ein paar mal Sex hatte. Dieser hat sich politisiert und hängt jetzt mit Anarchisten ab. Beim ersten Treffen erzählt er Charlie von Robespierre und der französischen Revolution nach deren Idealen er und seine neuen Freund*innen scheinbar handeln. Im Buch ist auch ein kurzer von Charlie gegoogelter Beitrag über Robespierre zu finden. Es folgen weitere Treffen zwischen Charlie und Slash, an zwei nimmt auch Austin teil. Zwischen Charlie und ihrer Mutter eskaliert die Situation immer weiter, weil letztere nicht damit klar kommt, dass Charlie sich immer wohler in der Community der Gehörlosen fühlt. Immer schlechter wird auch die Situation mit Charlies Cochlea Implantat, sie hat immer stärkere Kopfschmerzen. Bei einem Routine Termin erfährt Charlie, dass ihr Implantat kaputt ist und wahrscheinlich nie richtig funktioniert hat und es einen Hersteller-Skandal gibt, weshalb die Cochlea Implantate zurückgerufen werden sollen. Das heißt, Charlie soll erneut operiert werden. Bei einer Schulveranstaltung bricht Charlie plötzlich zusammen, ihr Cochlea Implantat hat einen Kurzschluss und sie bekommt einen Stromschlag im Kopf. Als sie aus dem Krankenhaus raus ist und von zuhause wieder am Unterricht teilnimmt, erfährt sie von den Gehörlosen-Protesten von 1988 Charlies Mutter entscheidet trotz des Unfalls mit dem Cochlea-Implantat, dass Charlie ein neues Implantat bekommen soll. Daraufhin entscheidet sich Charlie für eine militante Aktion mit Slash und seinen Freund*innen.

Über Austin erfahren die Leser*inen erst einmal, dass er in einer Familie aufwächst, die in fünfter Generation gehörlos ist.Schon seine Urgroßeltern haben im Widerstand gegen Diskriminierung und Verfolgung gehörloser Menschen gekämpft. Austins Leben und sein Selbstvertrauen geraten etwas aus den Fugen, als er eine Schwester bekommt und sein Vater der hörender Gebärdensprachdolmetscher ist, sich etwas zu sehr freut, dass seine Tochter auch hörend ist. Als sich das Hörvermögen seiner Schwester verringert, scheint der Familienfrieden wieder einzukehren, aber dann entscheiden sich seine Eltern, die kleine Schwester implantieren zu lassen. Austin erfährt auch noch, dass die Schule geschlossen werden soll. Da bricht seine Welt völlig zusammen. Als Charlie den Unfall mit dem Cochlea Implantat hat, beschließt er endgültig zu verhindern, dass seiner Schwester ein solches implantiert wird

Über Eliot erfahren wir zunächst nichts, außer dass er sich das Zimmer mit Austin teilt und ein Geheimnis mit sich herumträgt. Was dieses Geheimnis ist, erfahren wir als Leser*innen erst relativ am Schluss des Buches.

Über die Schulleiterin February Waters erfahren wir, wie sie aufgewachsen ist und dass sie in einer Ehe mit einer Frau lebt. Ihre Mutter hat Demenz und im Verlauf der Handlung verstirbt sie. Wir erfahren aber auch, dass February sich weigert zu akzeptieren, dass ihre Schule immer kurz vor der Schließung durch die Behörden steht und wir können erleben, wie sie dagegen ankämpft, dieser Kampf aber erfolglos ist, wodurch sie nicht nur ihren Job, sondern auch ihr Haus verliert. Denn das Haus gehört der Schule und sie hat nur Wohnrecht.Weil sie nicht fähig ist, offen zu kommunizieren, gefährdet sie auch ihre Ehe. 

Leider etwas spät erfahren wir mehr über Kayla, Charlies Zimmernachbarin, ein Schwarzes gehörloses Mädchen. Sie hat ein sehr umfangreiches Wissen zur Geschichte der Gebärdensprache, sowohl der ASL als auch der BASL und über den Rassismus in der Gehörlosen-Community allgemein. Sie muss sich im Alltag auch mit dem Alltagsrassismus ihrer Mitschüler*innen auseinandersetzen. Nach einem rassistischen Vorfall, der von Austin ausging, begann sie mit einer Videoserie zum Thema Rassismus in der Gehörlosen Community auf Tik Tok. Über sie hätte ich als Leser gern ein eigenes Buch.

Charlie und Austin sind sofort ineinander verknallt und kommen auch zusammen, es entwickelt sich eine übliche High School-Pärchen Geschichte mit ihren kleinen Dramen. Als Charlie beschließt, eine militante Aktion zu starten, will sie sich von Austin verabschieden, Austin und dann auch Eliot schließen sich Charlie aber an. Was die drei dann wirklich planen und ob es klappt oder ob sie vorher gefunden und gestoppt werden, wird hier nicht verraten. Einen Wermutstropfen finde ich, dass Kayla nicht an der Aktion beteiligt ist.
Besonders gut hat mir an diesem Buch gefallen, dass im Verlaufe des Buches immer wieder Informationen zu einzelnen Gebärden der ASL, der amerikanischen Gebärdensprache, zur Geschichte ASL und zur Gehörlosenkultur eingestreut werden. Außerdem tauchen dabei Themen auf, wie die Problematik von Cochlea-Implantaten in der heutigen Zeit, aber auch, wie schon seit dem 19. Jahrhundert versucht wurde, durch Eugenik und andere Maßnahmen gehörlose Menschen oder zumindest die Gebärdensprache zu eliminieren. Aber auch das Thema Rassismus in der Gehörlosen-Community kommt zur Sprache sowohl in der Handlung als auch mit Zusatzinformationen. Der Roman Klartext überzeugt vor allem aufgrund seines Fakten Reichtums zur gehörlosen Community und deren Geschichte, Fans von  diversen Highschool Geschichten kommen auch auf ihre Kosten, aber auch militanter Aktivismus bekommt seinen Platz. Die Autorin des Romans Klartext, Sara Nović, ist selbst gehörlos. Der Roman „Klartext“ regt auch dazu an darüber nachzudenken ob Inklusion von gehörlosen Menschen heißen kann, alle Gehörlosenschulen zu schließen, auch wenn die Deutschen Sonderschulen für Gehörlose nicht vergleichbar sind mit denen in den USA, sollten sie vielleicht eher in Sprachschulen für Gebärdensprache umgebaut werden,auf die alle gehen können, mit Gebärdensprache als Unterrichtssprache.
Der Roman „Klartext“ ist eine absolute Empfehlung

https://www.ecoreporter.de/artikel/sonova-probleme-mit-implantaten-gr%C3%B6%C3%9Fer-als-angenommen/

https://inklusion-statt-integration.de/die-wichtigsten-ersten-schritte-zu-inklusiver-bildung/

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