Am 30.05.2025 ist „Eingesperrt und Ausgegrenzt“ Armut, Ausbeutung und Rassismus eine andere Geschichte der Medizin von Edna Bonhomme im https://www.ullstein.de/verlage/propylaeen erschienen. Das, was die konventionelle Medizingeschichte oft ausspart, erzählt das neue Buch der amerikanischen Wissenschaftshistorikerin Edna Bonhomme Eingesperrt und Ausgegrenzt. Das Buch beginnt mit drei Zitaten,von das erste ist von W.E.B. Du Bois aus Darkwater Voices from Within the Veil von 1920
“Die meisten Menschen können sich heute keine Freiheit vorstellen, die nicht mit Sklaverei eines anderen einhergeht. Sie wollen keine Gleichheit, weil der Reiz ihres Glückes darin besteht, Dinge zu haben ,die andere nicht haben.”
Das zweite Zitat ist von Susan Sontag aus Krankheit als Metapher von 1977
“Jeder, der geboren wird, besitzt zwei Staatsbürgerschaften, eine im Reich der Gesunden und eine im Reich der Kranken. Und wenn wir alle es auch vorziehen, nur den guten Ruf zu benutzen, früher oder später ist doch jeder von uns gezwungen, wenigstens für eine Weile, sich als Bürger jenes anderen auszuweisen Ortes”
Die Metapher von den zwei Ländern ist wahrscheinlich die am häufigsten zitierte Metapher zu Krankheit. Bei mir löst diese Metapher weil sie soziale Konstrukte wie Staaten biologisiert in dem sie Krankheit und Gesundheit damit vergleicht, leichte Volkskörper Vibes aus und deshalb find ich diese Metapher eher unpassend
Das dritte Zitat ist von Anne Boyer die Unsterblichen von 2021
“Die Geschichte der Krankheit ist nicht die Geschichte der Medizin- es ist die Geschichte der Welt-; und die Geschichte davon, einen Körper zu haben, könnte gut auch die Geschichte davon sein, was den meisten von uns im Interesse weniger zugemutet wird.”
Im Prolog des Buches beschreibt die amerikanische Wissenschaftshistorikerin Edna Bonhomme, wie sie als vierjähriges Mädchen mit hohem Fieber ins Krankenhaus kommt, die Diagnose Typhus. Wochenlang verbringt sie in Quarantäne von ihren Eltern getrennt. Diese Isolation erlebt sie damals als traumatisch, so dass sie von diesen Erlebnissen bis heute in medizinischen Situationen – bei Ärzten, in Krankenhäusern – immer wieder heimgesucht wird. Dann geht Edna Bonhomme auf die Erfahrungen ihrer Eltern mit der Aids-Krise in den USA ein, ihre Eltern sind haitianische Einwanderer und diese Gruppe wurde neben Drogenabhängigen und schwulen Männern zu Sündenböcken für die Aids-Krise gemacht. Im weiteren Verlauf des Buches geht Edna Bonhomme der Frage nach, an welchen Orten im medizinischen Kontext Menschen sich Eingesperrt sein und Ausgegrenzt sein erlebten und erleben dabei spannt sie einen weiten Bogen von der Plantagenmedizin bis zur Covid- 19 Pandemie.
Im ersten Abschnitt geht es um die Plantagenmedizin in den USA während der Sklaverei in den USA. Plantagen waren kommerzielle Unternehmen, aber auch Folterlager, in denen ein System extremer Herrschaft, aus Disziplinierung, Bio-Macht. Überfüllte Unterkünfte, unhygienische Zustände, verseuchtes Brunnenwasser, Überarbeitung und Unterernährung machten versklavte Menschen besonders anfällig für Krankheiten wie z.B. die Cholera. in Dieser Situation traten Ärzte auf den Plan, um die versklavten Menschen zu behandeln – allerdings ausschließlich im Sinne ihrer „Besitzer“. Diese Ärzt*innen lieferten aucht die Theorien zur Legitimation der Sklaverei Edna Bonhomme beschreibt dieses pseudowissenschaftlichen Wirken exemplarisch am Wirken des Dr. Samuel A. Cartwright, der nicht nur von biologischen Unterschieden zwischen weißen und schwarzen Menschen überzeugt war, sondern auch jegliche Übertragbarkeit von Krankheiten ablehnte. Er führte die grassierende Cholera auf die „mangelnde moralische Verantwortung“ der Betroffenen zurück und traktierte sie mit schmerzhaften Behandlungen.
Im zweiten Abschnitt beschreibt die Autorin das von den Deutschen errichtete System der medizinischen Konzentrationslager im kolonialisierten heutigen Tansania. Die Pandemie, die zur Rechtfertigung dieses Lagersystems diente, war die Schlafkrankheit, die unter anderem Robert Koch und Paul Ehrlicher erforschen wollten. Alleine diese zwei Abschnitte machen das Buch für mich zur Pflichtlektüre für kommende Medizinstudent*innen. Und es stellt sich die Frage warum eigentlich in Deutschland immer noch zwei der bedeutendsten Institute für Medizin die für die Bekämpfung von Pandemien zuständig sind nach diesen Kolonialverbrechern benannt sind, oder warum es zahlreiche Straßen und Plätze gibt die ihren Namen tragen oder warum es Denkmäler für sie gibt.
Im dritten Block geht es um die Großen Grippewellen des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts.
Der vierte Abschnitt beschäftigt sich mit dem medizinischen System im amerikanischen Knast-System und geht dabei vor allem der Frage nach der Behandlung von AIDS- und Krebskranken in Haftanstalten nach. Die Autorin erwähnt hierbei auch den Aktivismus von Gefangenen für Gefangene zur Aufklärung über AIDS in den Gefängnissen. Die Autorin unterzieht das medizinische System in US Gefängnissen einer deutlichen Kritik, dabei geht sie soweit, Gefängnisse allgemein in Frage zu stellen.
Im fünften Abschnitt geht es Ebola Epidemien und deren Bekämpfung und Eindämmung unter anderem durch Lockdowns und die teils angewendete Repression und wie Pandemien die sozialen Verwerfungen noch verstärken und Pandemien verstärken.
Abschnitt sechs beschäftigt sich mit der Covid 19 Pandemie dabei wird als Beispiel unter anderem sehr gelungen auf die Auswirkungen auf das Leben einer Sexarbeiterin in Berlin eingegangen und welche Auswirkungen die Lockdowns auf ihr Leben hatten. Leider wird bei der Anzahl der in Deutschland arbeitenden Sexarbeiter*innen mit einer nicht überprüfbaren( Zahl von 500000 Sexarbeiter*innen hantiert wahrscheinlich ist die Zahl zu hoch und bei der Beschreibung der Rechtslage kommt ein bisschen was durcheinander Das sogenannte Prostituiertenchutzgesetz kam 2017 und war eine Verschlechterung zu 2001.
Es folgt noch Kapitel sieben mit dem Titel Eingesperrt und ein Schlusswort und eine Danksagung Eingesperrt und Ausgegrenzt ist eine absolute Empfehlung.
https://inklusion-statt-integration.de/racism-kills-von-layal-liverpool-eine-rezension/