Die echtere Wirklichkeit von Raphaela Edelbauer eine Rezension

Am 16.08.2025, erschien bei https://www.klett-cotta.de/ das neue Buch von Raphaela Edelbauer Die echtere Wirklichkeit ein philosophischer Roman. Das Buch Die echtere Wirklichkeit beginnt mit zwei Zitaten, das erste stammt von dem französischen Gegenwartsphilosophen Pascal Engel, der Michel Foucault für seinen Umgang mit der Wahrheit kritisiert, das zweite ist von dem antiken Denker Parmenides über die Natur. Diesen Zitaten folgt der erste Teil des Manifest der Aktivistengruppe Aletheia (altgriechisch Wahrheit), um die es im Laufe des Buches hauptsächlich geht, in diesem Manifest geht es um  absolute Wahrheit am Anfang stehen die ersten  acht Thesen in der ersten These stellen sie fest dass es nur eine absolute Wahrheit gibt und wenn sich vermeintliche Wahrheiten verändern dann waren es keine absoluten Wahrheiten in der zweiten These beklagen sie dass das Zeitalter des Rufes Immanuel Kants nach der Ermächtigung des eigenen Verstandes vorbei sei und Irrationalität, Wahnhaftigkeit und das Beharren auf der eigenen Wahrheit droht das Zusammenleben zu zersetzen. Dabei bezeichnen sie die Postmoderne als Krebs wieso die Autorin ihre Protagonist*innen diese biologistische Metapher verwenden lässt verstehe ich nicht und löst bei mir ungute Volkskörper Vibes aus.

Die Leser*innen erfahren durch immer wieder erfolgende Einschübe aus dem Manifest der Gruppe die über das Buch verteilt sind wo für die fünf die Probleme liegen, die zu einer Welt führten wie wir sie heute kennen, zu einer Welt, in der ein Begriff der Wirklichkeit verloren gegangen scheint und die Probleme sehen sie ausschließlich in der Philosophie und dabei sind für sie die Konstruktivist*innen die Hauptgegner*innen. Den Leser*innen soll durch die Einschübe aus dem Manifest und durch Auszüge aus anderen philosophischen Texten klar werden, wo auf dem Entwicklungspfad der Philosophie von Kant zum Konstruktivismus es zum Verlust des Begriffs der absoluten Wahrheit gekommen ist. Diese philosophischen Einschübe drohen von Leser*innen, die sich noch nicht mit philosophischen Texten zur absoluten und relativen Wahrheit auseinandergesetzt haben, als reines Gelaber abgetan zu werden. Mir hat mein Lesekreis von marxistischer Philosophie zu genau dieser Frage sehr geholfen zu verstehen, was gemeint ist. Der Postmoderne  werfen die Aktivist*innen  vor, verantwortlich zu sein für Populismus, alternative Fakten und Verschwörungstheorien, den größten Probleme unserer Zeit. Deswegen streben sie nach nichts weniger als  nach einer philosophischen Revolution.

Nach der Einführung in die philosophischen Grundlagen der Gruppe  beginnt die Romanhandlung in einem besetzten Haus in der WG der Aktivist*nnen von Aletheia diese sind gerade bei den Vorbereitungen für eine militante Aktion, sie planten einen Bombenanschlag auf das Parlament und danach eine Geiselnahme bei einem Philosophie Kongress in der Universität. Erzählt wird die Handlung aus der Perspektive von Byproxy einer Rollstuhlfahrerin, das heißt auch das Leben in einem besetzten Haus wird aus der Perspektive einer behinderten Aktivistin erzählt.  Die Aspekte der Behinderung sind im Roman gut erzählt.

Im zweiten Kapitel  merken wir als  Leser*innen dass das erste Kapitel ein Vorgriff auf die große Aktion der Gruppe ist und die Geschichte beginnt von vorne  an einem Punkt an dem Byproxy noch nicht Teil von Aletheia ist. Byproxy versucht ein Videospiel zu verkaufen und  vergisst dabei die Zeit. Als sie wieder im Betreuten Wohnen ankommt in dem sie zu dieser Zeit wohnt steht sie plötzlich unter Verdacht einen ihrer Mitbewohner schwer verletzt zu haben und sie muss diese Einrichtung verlassen. Sie lebt ab da einige Zeit auf der Straße.  Durch eine gedankliche Rückblende von Byproxy erfahren die Leser*innen  wie sie durch einen von ihrer damals besten Freundin verursachten Autounfall zum Mensch mit Beeinträchtigung wurde.

Es folgt ein Einschub über die geologische Entstehung der Welt, versetzt mit philosophischen Anmerkungen, dieses Interesse für Biologie bringt Byproxy  im Verlauf des Buches auch in die Aktivistengruppe Aletheia ein. Weiter geht das Buch  wieder mit dem Leben auf der Straße nach dem Rauswurf aus der Einrichtung. Byproxy übernachtet  mit zwei Koffern, Laptop und Rollstuhl in offen gelassenen Marktständen und verbringt die Tage in den Kaffeehäusern Wiens und der Universität wo sie die Waschräume aufsucht. In ihren Gedanken gleitet Byproxy immer wieder in ihre Jugend ab und zu ihrer besten Freundin, die bei dem schon erwähnten Autounfall ums Leben kommt, diese Backflashs in die Vergangenheit ziehen sich durchs ganze Buch und so erfahren die Leser*innen nach und nach Dinge aus dem Leben von  Byproxy bevor sie auf die vier anderen Aktivit*innen  getroffen war.

An einer Straßenecke beobachtete sie vier Gestalten und folgte ihnen in ein Cafe, dort erregten die vier lebhaft über Philosophie streitenden Leute noch mehr ihre Aufmerksamkeit Byproxy überzeugt sie davon, dass sie mitkommen darf die vier wohnen  in einem besetzte Haus und Byproxy überzeugt die vier bleiben zu dürfen muss sich aber auf harte Probemonate einlassen während derer sie tagsüber die Toiletten putzt und sich abends durch den philosophischen Kanon der Philosophie Aktivist*innen WG gräbt, diese vier machen eine Hintergrundcheck von Byproxy ob sie ihr vertrauen können aber auch Byproxy recherchiert auf ihren Streifzügen durch das Haus und durch die Zimmer der anderen über diese nach und nach gewinnt Byproxy das Vertrauen der vier. Nach einem Monat, in dem sie das Haus nicht verlassen durfte, darf sie kleinere Botengänge für die anderen erledigen, wobei sie vor allem Pakete an eine Person an der Universität überbringt. 

Bei ihren Erkundigungen zu den vier erfährt sie mehr darüber an welchen Punkten sich die Wege der anderen vier kreuzten und wie sie zu einer philosophischen Aktivist*innenngruppe wurden und was die anderen davor gemacht haben.  Nach und nach beginnt Byproxy sich für die philosophischen Texte, die sie durchzuarbeiten hatte, zu interessieren, in diesen geht es um die Suche nach der absoluten Wahrheit und deren Verteidigung denn diesen Kampf haben sich die vier  verschrieben. Die Recherchen, die Byproxy in ihrer Probezeit angestellt hat, ergeben, Bernward war ein gescheiterter Philosophie-Dozent an der Uni aus kleinbürgerlichen Verhältnissen, dessen Karriere an philosophischen Grabenkämpfen scheiterte. Brigitte ist Milliadärstochter, die Philosophie studiert hat, das Studium war ihr aber zu theoretisch. Paul ist ein  Student von Bernward, der sich  eher  der Theorie als der Praxis verschrieben hat. Die vierte im Bunde, die meist nur die Chirurgin genannt wird, ist die einzige, die vor Aletheia eine militante Vergangenheit hat, z.B. im Umkreis der RAF und der Action Directe.

Nach einigen Monaten darf Byproxy an den Besprechungen der Gruppe teilnehmen nach und nach wird sie in die Aktionen der Gruppe eingebunden bis dahin sind die Aktionen eher symbolisch z.B. wird eine Tür eines Philosophie Professors zugemauert der den Strukturalisten zugerechnet wurde  um diesen mit der Wirklichkeit zu konfrontieren

 Die Aktionen gingen auch immer schief. Mit dem Eingreifen von Byproxy in die Diskussionen verwandelt sich die Strategie der Gruppe vom Denken zur Handlung von der Theorie zur Praxis und von mehreren kleinen Aktionen zu einer großen Aktion. 

Als Leser*innen nehmen wir auch Teil an Byproxys Schilderungen einer Affäre zwischen sich und Paul obwohl Sexualität eigentlich untersagt war in der Gruppe.  Wir erfahren von den Gesprächen, die sie mit Paul über ihr Computerspiel, das sie selbst programmiert, führt.

Wir erfahren nach und nach was es mit dem Herzensbrecher dem Kopf einer befreundeten Politik Aktivist*innengruppe auf sich hat  und was diese Gruppe, bei der Paul wohl mal Mitglied war, mit dessen Vorstrafe zu tun hat.  Als Leser*innen erfahren wir auch welche negative Rolle die  Kronenzeitung bei  der Verbreitung rechter Narrative spielt. Gegen die Kronenzeitung  soll sich auch  die geplante große Aktion richten 

Es kommt zu einer Wohnungsrazzia und Paul wird verhaftet, danach wird die geplante große Aktion gegen die Kronenzeitung erst einmal zurückgestellt. Alle Aktivitäten der Gruppe richten sich erst einmal auf die Befreiung von Paul. Als Paul wieder frei war, wurde eine neue Aktion geplant, dafür schrieb Byproxy sich an der Uni ein um die Dozent*innen auszuspionieren bei der geplanten Aktion  handelt sich  um die Aktion, mit deren Planung das Buch begann ob diese Aktion gelingt und wie sich der Strang rundum Byproxys ehemals beste Freundin Dorothee mit dem Rest der Handlung von Die echtere Wirklichkeit überschneidet oder er ein loser  Nebenstrang bleibt wird hier nicht verraten. Ich weis bis zum Schluss nicht was die Autorin mit Die echtere Wirklichkeit den Leser*innen wirklich sagen will. Die oben  schon erwähnten biologistischen Metaphern sind mehr als ärgerlich genau so wie die  rassistische Bezeichnung des Schnitzels was sich  Byproxy bestellt als sie die anderen am Anfang  beobachtet. Das Buch die echtere Wirklichkeit ist aus meiner Sicht keine Empfehlung.

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